Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Geschwindigkeit durch die undurchdringliche Schwärze der Katakomben, die Sperrfelder, die mich nicht einmal den Fahrtwind spüren ließen, das Gefühl von Felsgestein und Dunkelheit ringsum –
zwanzig Minuten nach Beginn des stürmischen Fluges unterbrach ich das Programm des Autopiloten, landete mit der Hawking-Matte auf dem Boden des Labyrinths, deaktivierte das Sperrfeld, trat von der Matte herunter und schrie.
Ich packte die Lasertaschenlampe und leuchtete damit die Wände an. Ein quadratischer Korridor aus Stein. Hier, außerhalb des Sperrfelds, wurde mir die Hitze bewusst. Die Tunnel mussten sehr tief sein. Es gab keine Stalaktiten, keine Stalagmiten, keine Fledermäuse, keine Lebewesen... nur diese quadratisch ausgefräste Höhle, die sich in alle Ewigkeit erstreckte.
Ich ließ den Lichtstrahl über die Hawking-Matte gleiten. Sie wirkte tot und vollkommen reglos. In meiner Hast hatte ich das Programm möglicherweise nicht korrekt unterbrochen und dadurch gelöscht. In diesem Fall war ich tot. Bis jetzt hatten wir hundertfach Gabelungen und Abzweigungen passiert; ich hätte den Weg hinaus nie und nimmer gefunden.
Ich schrie wieder, aber diesmal war es mehr ein vorsätzlicher Ruf, um die Anspannung loszuwerden, als ein Schrei. Ich kämpfte gegen den Eindruck an, als würden Wände und Dunkelheit mich erdrücken. Ich rang das Gefühl der Übelkeit mit reiner Willenskraft nieder.
Noch dreieinhalb Stunden. Dreieinhalb Stunden lang diesen klaustrophobischen Albtraum erkunden, durch die Schwärze rasen, mich an einem schwankenden fliegenden Teppich festklammern... und was dann?
Ich wünschte mir, ich hätte eine Waffe mitgebracht. Damals kam es mir absurd vor; mit einer Handfeuerwaffe hätte ich nicht einmal gegen einen einzigen Soldaten der Schweizergarde eine Chance gehabt, aber jetzt wünschte ich mir, ich hätte etwas dabei. Ich zog das kleine Jagdmesser aus der Lederscheide an meinem Gürtel, sah den Stahl im Licht der Taschenlampe funkeln und fing an zu lachen.
Das war absurd.
Ich steckte das Messer wieder weg, setzte mich auf die Matte und tippte den »Programm fortsetzen«-Kode ein. Die Hawking-Matte wurde steif, stieg in die Höhe und schoss vorwärts. Ich näherte mich mit hoher Geschwindigkeit irgendeinem Ziel.
Pater Captain de Soya sieht den riesigen Schemen einen Augenblick, dann ist er verschwunden, und das Schreien beginnt. Dr. Chatkra folgt dem zurückweichenden Kind und versperrt de Soya die Sicht, ein Luftzug ist trotz des tosenden Windes ringsum zu hören, und dann rollt der behelmte Kopf der Ärztin an de Soyas Stiefeln vorbei.
»Mutter Gottes«, flüstert er in sein offenes Mikrofon. Dr. Chatkras Körper steht noch aufrecht. Das Mädchen – Aenea – schreit, ein Laut, der im Tosen des Sturmes fast untergeht, und der Leichnam fällt zu Boden, als hätte die Macht dieses Schreies auf Chatkras Körper gewirkt. Caf, der Sanitäter, brüllt etwas Unverständliches und stürzt sich auf das Mädchen.
Wieder ein dunkles Huschen, das man mehr spürt als sieht, und Cafs Arm ist vom Körper abgetrennt. Aenea dreht sich zur Treppe um. De Soya wirft sich auf das Kind, stößt aber mit einer riesigen metallenen Statue aus Dornen und Stacheldraht zusammen. Stacheln durchbohren seinen Kampfanzug – unmöglich! –, aber er spürt, wie Blut aus einem halben Dutzend ungefährlicher Verletzungen fließt.
»Nein!«, schreit das Mädchen wieder. »Aufhören! Ich befehle es dir!«
Die drei Meter große Statue aus Metall dreht sich in Zeitfupe. De Soya hat den verworrenen Eindruck, als würden rot glühende Augen auf das Mädchen herabschauen, und dann ist die Metallskulptur verschwunden.
Der Priester-Captain macht einen Schritt auf das Mädchen zu, weil er sie immer noch genauso trösten wie einfangen will, aber sein linkes Bein knickt unter ihm ab, und er fällt auf der breiten Steinstufe auf das rechte Knie.
Das Mädchen kommt zu ihm, berührt ihn an der Schulter und flüstert –
irgendwie hörbar durch das Heulen des Windes und das Heulen von Menschen in Todesqualen, das in seinen Kopfhörern ertönt – »Es wird alles gut.«
Pater Captain de Soyas ganzer Körper wird von Wohlgefühl durchströmt, sein Geist ist von Freude erfüllt. Er weint.
Das Mädchen ist fort. Eine riesige Gestalt ragt über ihm auf, und de Soya ballt die Fäuste, will aufstehen, obwohl er weiß, dass es vergebens ist –
dass die Kreatur zurückgekehrt ist, um ihn zu töten.
»Ganz ruhig!«, ruft Sergeant Gregorius.
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