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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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viele Orte und Menschen teilgehabt, aber meine eigenen Augen und Lungen und Beine und meine Haut haben vergessen, wie sich die wahre Freiheit anfühlt.
    Selbst in meiner Trauer verspüre ich eine gewisse Hochstimmung.
    Das Freicasten war oberflächlich genauso gewesen wie vorher, als Aenea uns beide freige’castet hatte, aber auf einer tieferen Ebene war es vollkommen anders. Der weiße Lichtblitz war derselbe gewesen, ebenso der mühelose plötzliche Übergang und der Schock eines anderen Luftdrucks, anderer Schwerkraft, anderen Lichts. Aber diesmal hatte ich das Licht mehr gehört als gesehen. Ich war von der Musik der Sterne und ihrer Myriaden Welten emporgetragen worden und hatte mich für die entschieden, die ich betreten wollte. Eine besondere Anstrengung meinerseits war nicht erforderlich gewesen, kein nennenswerter Energieaufwand, abgesehen von der Notwendigkeit, mich zu konzentrieren und sorgfältig zu wählen. Und die Musik war nicht völlig verstummt – ich nahm an, dass sie nie wieder völlig verstummen würde –, sondern erklang auch jetzt noch im Hintergrund, als würden Musiker hinter einem Hügel die Instrumente für ein Konzert an einem Sommerabend stimmen.
    Ich kann Spuren von Überlebenden in den Trümmern der Stadt sehen. In der goldenen Ferne ziehen zwei Ochsenkarren, denen menschliche Silhouetten folgen, am Horizont entlang. Auf dieser Seite des Flusses kann ich Hütten erkennen, einfache Backsteinunterkünfte zwischen den Trümmern alter Steine, eine Kirche, eine weitere kleine Kirche. Von irgendwo hinter mir zieht der Duft von über offenem Feuer gebratenem Fleisch zu mir, und ich höre das unverkennbare Geräusch lachender Kinder.
    Ich drehe mich gerade in die Richtung um, aus der der Geruch herüberzieht, als hinter einem Trümmerhaufen, der vielleicht mal ein Wachlokal am Eingang des Castel Sant’ Angelo gewesen ist, ein Mann hervortritt. Er ist klein, behände, das Gesicht halb hinter einem Bart verborgen, das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, aber seine Augen sind wachsam. Er trägt ein solides Projektilgewehr bei sich, wie sie einst von der Schweizergarde bei zeremoniellen Anlässen getragen wurden.
    Wir sehen einander einen Moment an – der unbewaffnete, geschwächte Mann, der nichts als einen Textschiefer bei sich hat, und der von der Sonne braun gebrannte Jäger mit der schussbereiten Waffe –, und dann erkennen wir einander. Ich habe diesen Mann nie getroffen, und er mich auch nicht, aber ich habe ihn durch die Bindende Leere in den Erinnerungen anderer gesehen, obwohl er uniformiert, gepanzert und rasiert war, als ich ihn das erste Mal zu Gesicht bekommen habe – nackt und auf der Folterbank das letzte Mal. Ich weiß nicht, woran er mich erkennt, aber ich sehe das Erkennen in seinen Augen, und einen Moment später stellt er das Gewehr beiseite, kommt näher und nimmt meine Hand samt Unterarm in seine beiden Hände.
    »Raul Endymion!«, ruft er. »Der Tag ist gekommen! Dem Himmel sei Dank. Willkommen.« Die bärtige Erscheinung umarmt mich wahrhaftig, bevor er zurückweicht und mich grinsend ansieht.
    »Sie sind Corporal Kee«, sage ich einfältig. Ich erinnere mich besonders deutlich an die Augen, die ich aus Pater de Soyas Perspektive gesehen habe, als er und Kee und Sergeant Gregorius und Lanzer Rettig Aenea und mich jahrelang durch diesen Spiralarm der Galaxis verfolgt haben.
    »Ehemals Corporal Kee«, sagt der grinsende Mann. »Jetzt nur noch Bassin Kee, Bewohner von Neu-Rom, Mitglied der Diözese St. Anna, auf der Jagd nach der morgigen Mahlzeit.« Er schüttelt den Kopf, während er mich anstarrt. »Raul Endymion. Mein Gott. Einige haben geglaubt, sie würden nie aus diesem verfluchten Schrödinger-Katzending entkommen.«
    »Sie wissen von dem Schrödinger-Ei?«
    »Natürlich«, sagt Kee. »Das war Teil des Gemeinsamen Augenblicks.
    Aenea wusste, wohin man Sie brachte. Und daher wussten wir es alle. Und natürlich haben wir Ihre Präsenz dort durch die Leere gespürt.«
    Plötzlich war mir schwindlig und ein wenig übel. Das Licht, die Luft, die gewaltige Entfernung bis zum Horizont... Dieser Horizont wurde instabil, als würde ich ihn an Bord eines kleinen Schiffes bei schwerem Seegang sehen, daher machte ich die Augen zu. Als ich sie wieder aufschlug, hielt Kee meinen Arm und half mir, mich auf einen großen weißen Steinquader zu setzen, der aussah, als wäre er aus der Kathedrale auf der anderen Seite des gläsernen Flusses herausgesprengt worden.
    »Mein Gott,

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