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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Arm im Universum und hatte mich immer noch nicht entschieden.
    Hyperion? Ich hatte Martin Silenus versprochen, dass ich zurückkehren würde. Ich konnte seine Stimme laut in der Leere hallen hören, in Vergangenheit und Gegenwart, aber sie würde nicht mehr lange im gegenwärtigen Chor mitsingen. Das Leben, das ihm noch blieb, ließ sich in Tagen oder weniger zählen. Aber nicht nach Hyperion. Noch nicht.
    Zum Sternenbaum der Biosphäre? Ich war erschrocken, als ich merkte, dass er noch in irgendeiner Form existierte, aber Lhomos Stimme fehlte in der Chor-Symphonie dort. Der Ort war wichtig für Aenea und mich gewesen, und ich musste eines Tages dorthin zurückkehren. Aber nicht jetzt.
    Die Alte Erde? Erstaunlicherweise hörte ich die Musik dieser Sphäre ganz deutlich, in Aeneas ehemaliger Stimme und meiner, im Lied der Freunde in Taliesin, mit denen wir uns dort aufgehalten hatten. Entfernung hatte in der Bindenden Leere keinerlei Bedeutung. Die Zeit hat dort ihre Jahreszeiten, aber sie zerstört nicht. Aber nicht zur Alten Erde. Nicht jetzt.
    Ich hörte Dutzende Möglichkeiten, mehr Stimmen, als ich persönlich hören wollte, Leute, die ich umarmen, mit denen ich weinen wollte, aber die Musik, auf die ich jetzt am stärksten ansprach, war die der Welt, wo Aenea gefoltert und getötet worden war. Pacem. Die Heimat der Kirche und das Nest unserer Feinde – was nicht, wie ich jetzt einsah, dasselbe war.
    Pacem. Auf Pacem, das wusste ich, befand sich nichts von Aenea, außer Asche der Vergangenheit.
    Aber sie hatte mich gebeten, ihre Asche zu holen und auf der Alten Erde zu verstreuen. Sie dort zu verstreuen, wo wir am meisten gelacht und uns geliebt hatten.
    Pacem. Im Wirbel der Energie der Leere, bereits außerhalb der Schrödinger-Zelle, aber nirgendwo existent, außer als reine Quantenwahrscheinlichkeit, traf ich meine Entscheidung und freicastete nach Pacem.

33

    Der Vatikan ist völlig zerstört, als hätte die Faust Gottes in einem für Menschen unverständlichen Zorn vom Himmel hoch zugeschlagen. Die endlose Bürokratenstadt ringsum ist vernichtet. Der Raumhafen ist zerstört. Die Prachtstraßen sind zertrümmert und geschmolzen und von Ruinen gesäumt.
    Der ägyptische Obelisk, der im Zentrum des Petersplatzes stand, ist am Sockel abgebrochen, die zahlreichen Säulen um den ovalen Platz herum sind umgestürzt wie versteinerte Holzscheite. Die Kuppel des Petersdoms ist zerschmettert, durch die zentrale Loggia und die prachtvolle Fassade gefallen und liegt in Trümmern auf den geborstenen Stufen. Die Mauer des Vatikans ist an hundert Stellen eingestürzt und fehlt über weite Strecken völlig. Die Gebäude, die einst in ihrem mittelalterlichen Schutz lagen – der Apostolische Palast, die Geheimarchive, die Kasernen der Schweizergarde, das Hospiz der Heiligen Mutter Teresa, die päpstlichen Gemächer, die Sixtinische Kapelle – sind allesamt preisgegeben und verwüstet, niedergebrannt und verfallen und baufällig.
    Castel Sant’ Angelo auf dieser Seite des Flusses ist einem furchtbaren Feuer zum Opfer gefallen. Der alles beherrschende Zylinder – zwanzig Meter hohe Steinmauern, die sich über dem quadratischen Fundament erhoben – ist zu einem Haufen erkalteter Lava geschmolzen.
    Das alles sehe ich, während ich über die zerbrochenen Platten des Boulevards auf der Ostseite des Flusses flaniere. Vor mir ist die Brücke Ponte Sant’ Angelo in drei Teile zerbrochen und in den Fluss gestürzt. Ins Flussbett, sollte ich sagen, denn es sieht aus, als wäre der Neue Tiber verdampft; wo der sandige Grund des Flusses und seine sandigen Ufer gewesen sind, sieht man jetzt nur noch Glas. Jemand hat eine Hängebrücke aus Seilen über die mit Trümmern übersäte Kluft zwischen den Ufern gespannt.
    Dies ist Pacem; daran hege ich keinen Zweifel. Die dünne, kühle Atmosphäre riecht und schmeckt genauso wie an dem Tag, als Pater de Soya, Aenea und ich hier eintrafen, dem Tag, bevor mein liebes Mädchen starb, auch wenn es damals regnerisch und grau war und heute ein Sonnenuntergang am Himmel erstrahlt, in dem sogar die eingestürzte Kuppel des Petersdoms wunderschön aussieht.
    Nach den Monaten in meinem engen Gefängnis ist es ein fast überwältigendes Gefühl, wieder unter freiem Himmel spazieren zu gehen. Ich drücke den Textschiefer an mich wie einen Schild, wie einen Talisman, wie eine Bibel, und gehe mit zitternden Beinen den einstigen Prachtboulevard entlang.
    Monatelang hat mein Verstand an Erinnerungen an

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