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Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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zerbiss die Beere und verzog das Gesicht. Das Fruchtfleisch schmeckte zuerst süß, dann säuerlich, dann wieder leicht süß, und am Ende hinterließ es einen bitteren Nachgeschmack im Mund.
    Shampoo war eine gute Beschreibung dafür. Er fand die Beeren trotzdem gut und nahm sich noch eine.
    »Sie sind bekannt als Winterkirschen«, erklärte der Mann mit tiefer, freundlicher Stimme. »Ich finde, das klingt nach etwas Süßem, Verlockendem und bereitet einen in keiner Weise auf einen derart ekligen Geschmack vor! Ich sage immer, trau nie einer Frucht mit einem euphemistischen Namen.«
    »Mir schmecken sie«, sagte Blake schlicht, obwohl sich sein Mund auf einer Seite seltsam taub anfühlte.
    »Du musst Juliets Sohn sein«, sagte der Mann, als sei allein Blakes Widerspruch der Beweis dafür. »Mein Name ist Jolyon. Deine Mutter hat bei mir studiert.«
    Er streckte dem Jungen eine Hand hin, so groß und kräftig, dass Blakes Hand darin völlig verschwand. Blake spürte, wie seine Knochen zusammengedrückt wurden wie die Rippen eines Fächers, und er konnte sich kaum aus dem Griff befreien. Ohne ein weiteres Wort ging der Professor zu einem wuchtigen Ledersessel in der Ecke, etwas entfernt von den versammelten Mitgliedern der Ex Libris Gesellschaft. Blake trottete wie von einer Schwerkraft angezogen hinter ihm her. Er setzte sich neben ihn und sah den Mann genauer an.
    Jolyons Talar war abgetragen und ausgefranst, aus den Ärmelnähten hingen lange Fäden wie wirre Spinnweben heraus. Unter dem Talar trug er ein Tweedjacket, ein kariertes Hemd und eine fleckige Krawatte. Bis auf das dichte weiße Haar, das um seinen Kopf wogte wie Wellen auf einem aufgewühlten See, sah er aus wie ein großer Junge mit mehreren Schichten von zu großen Kleidungsstücken auf dem Leib. Blake fand ihn sympathisch.
    Eine Weile saß der Professor mit geschlossenen Augen da, schweigsam und gedankenverloren. Blake wusste, dass er ihn nicht stören durfte, aber ihm ging eine drängende Frage durch den Kopf. Endlich traute er sich.
    »Äh, war meine Mutter eine gute Studentin?«, fragte er mit schüchternem Lächeln, das allmählich in ein spitzbübisches Grinsen überging.
    Der Professor öffnete ein Auge und sagte spöttisch: »Kommt darauf an, was du unter gut verstehst.«
    Unbehaglich rutschte Blake hin und her. Der Professor wollte ihn zwingen, seine Frage genauer zu formulieren - genau wie seine Eltern das immer machten. Es war ein Spiel, das er nicht mochte, weil er es nicht besonders gut konnte.
    Der alte Mann spürte Blakes Verzweiflung und lenkte ein. »Entschuldige, das ist so ein Trick von mir. Ich wende ihn immer an, wenn ich merke, dass meine Studenten ihre Fragen nicht richtig formulieren. Manchmal ist es nämlich schwieriger, die Frage zu formulieren, als die Antwort zu finden.«
    Blake sah ihn verwirrt an.
    »Deine Mutter war also Juliet Somers«, fuhr der Mann fort und achtete nicht auf die Ratlosigkeit des Jungen. »Eine fähige, kluge und hoch motivierte Studentin, die ihre Dissertation in relativ kurzer Zeit zu Ende brachte, glaube ich. Trotz der Ablenkung durch deinen Vater.« Mit einem Blick versuchte Jolyon festzustellen, ob der Junge diese letzte Bemerkung verstanden hatte. Er sah sich zwei sehr hellblauen Augen gegenüber, wachsam wie Spiegel.
    Betroffen sprach er weiter, leiser jetzt und aufrichtiger, als Blake erwartet hatte: »Ich möchte fast behaupten, dass sie schon damals mehr ihre Karriere im Blick hatte als ihre Berufung. Ob sie Bücher liebte, kann ich nicht genau sagen, analysiert hat sie die Inhalte perfekt. Trotzdem, ohne diese Leidenschaft für Bücher konnte sie - tut mir Leid - niemals meine beste Studentin sein.«
    Es war komisch, Kritik an seiner Mutter zu hören. Unangenehm berührt sah Blake durch den Raum, bis er sie entdeckte. Dort stand sie und unterhielt sich immer noch mit Prosper Marchand, der ihr gerade ein Glas rubinroten Portwein brachte. Die beiden schienen ziemlich vertraut miteinander. Zu vertraut vielleicht. Blake machte ein finsteres Gesicht.
    »Nein«, sprach Jolyon weiter, »diese Auszeichnung kommt deinem Vater zu. Er war mein vielversprechendster Student.«
    Blake machte große Augen. »Mein Dad?« Er glaubte, sich verhört zu haben.
    Der Professor sah ihn aufmerksam an. »O ja, dein Vater hatte eine ganz erstaunliche Vorstellungskraft. Er hielt sich nicht immer präzise an den Text, das muss ich sagen, aber er besaß eine tiefe Einsicht, so wie ich es selten erlebt

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