Endzeit
ausschicken, und vielleicht gelang es ihm, eine der Wachen zu überwältigen und mit deren Schlüssel Rudniks Zelle zu öffnen. Oder er konnte warten, bis jemand nach ihm schaute, und sich dann auf ihn stürzen.
Oder . er konnte noch einmal versuchen, was ihm gerade geglückt war. Aber diesmal nicht allein.
Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer.
Wieder versenkte er seinen Geist. Diesmal klappte es schneller als zuvor. Wieder sah er die Welt als ein buntes Farbspektrum. Rudniks Lichtpunkt lag direkt vor ihm. Kierszan tastete danach und spürte, daß sein Geist den anderen umschlang.
Vertrau mir! Ich führe dich hinaus in die Freiheit! Du mußt es nur wollen!
Rudniks Geist klebte wie ein hinderlicher Anker an ihm. Dennoch gelang es Kierszan, die Wand der Zelle zu durchstoßen. Er nahm all seine Kräfte zusammen, während er Rudnik weiter mit sich zog.
Niemand stellte sich ihm in den Weg, denn nach wie vor war er nur als Präsenz spürbar.
Dann durchstieß er eine letzte Mauer. Frische Nachtluft hüllte ihn ein. Der vertraute Mond sandte seine wärmenden Strahlen auf seinen Geist.
Kierszan wagte es noch nicht, seinen Körper wieder zu manifestieren. Zu groß war das Risiko, daß sie ihn und Rudnik gleich wieder entdeckten und gefangennahmen.
Das Gefängnis befand sich nicht unweit des Vorstadtviertels, in dem er vor seiner Inhaftierung gehaust hatte. Er kannte sich hier aus. Vor allen Dingen aber kannte er Leute, die etwas von ärztlicher Kunst verstanden.
Er erreichte das Gebäude, in dem sich seine frühere Behausung befand - kaum mehr als ein Kellerloch. Er vergewisserte sich kurz, ob nicht inzwischen ein anderer Bewohner hier eingezogen war, aber seine Sorge war unbegründet.
Schließlich hielt er inne. Jetzt kam es darauf an, ob er noch genügend Kräfte für den zweiten Teil seines Plans aufbringen konnte. Vor seinem geistigen Auge sah er die beiden in der Zelle zurückgebliebenen Körper. Mit aller Kraft konzentrierte er sich darauf, sie wieder mit ihren Bewußtseinen zu vereinen. Es tat weh, und er merkte, wie seine Kräfte rapide nachließen.
Fast glaubte er schon, es nicht zu schaffen, da spürte er wieder das vertraute Ziehen. Sein Geist fuhr in seinen Körper, während er sich gleichzeitig darauf konzentrierte, Rudnik ebenfalls wieder zusam-menzuführen.
Dann war es geschafft! Er schaute an sich hinab - über seinen vertrauten Körper. Die Flucht war ihm gelungen. Dann blickte er auf Rudnik.
Ein Schrei entrang sich seiner Kehle.
Rudniks verstümmelter Körper sah aus, als hätte man ihn durch einen Fleischwolf gedreht.
Oder vielmehr, als hätte man versucht, seine Atome durch die Mauern eines Gefängnisses zu pressen, und sie dann wieder falsch zusammengesetzt.
Rudnik war tot. Und er, Kierszan, hatte ihn getötet ...
*
Der Raum, in den sie Nona geworfen hatten, war noch nicht einmal ungemütlich. Er war mit roten Tapeten und Teppichen verziert. Außer einem Bett und einem Schminktisch mit einem Frisierspiegel darauf war er jedoch unmöbliert. Wahrscheinlich handelte es sich um eines der Zimmer, in der Frears Lustsklavinnen ihre Dienste verrichten mußten.
Das Zimmer war fensterlos, aber Nona spürte durch die Mauern des Kellers hindurch das Rund des vollen Mondes, das bald hinter dem Horizont aufsteigen würde. Es konnte sich nur noch um Stunden handeln. Das lockende Zerren, das ihre Glieder bereits jetzt leicht erzittern ließ, würde sich dann nicht mehr ignorieren lassen.
Sie wurde mit jeder Minute unruhiger.
Plötzlich waren draußen näherkommende Schritte zu hören. Endlich tat sich etwas! Was auch immer diese Schweine mit ihr vorhatten, sie würden sich verrechnen. Der Vollmond würde ihr ungeahnte Kräfte verleihen.
Die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen. Zwei von Frears Leuten traten ein.
»Zieh dich aus!« verlangte der eine. Sein Gesicht verriet, daß er es kaum erwarten konnte, ihren nackten Körper zu begaffen.
»Was habt ihr vor?« fragte Nona.
Der Mann warf ihr ein Bündel lederner Reizwäsche zu. »Keine Angst. Wir wollen ja nicht, daß du dich erkältest.«
Widerwillig gehorchte Nona. Sie spürte die gierigen Blicke der beiden, als sie aus ihrer Kleidung stieg. Aber offensichtlich hatten sie den Befehl, sie nicht anzurühren.
»Du hast Glück, daß unser Chef dich als Hauptattraktion des Abends vorgesehen hat. Aber vielleicht ist ja hinterher noch genügend übrig für uns beide!«
Sie lachten gehässig. Nona mußte sich zurückhalten, um ihren Zorn nicht zu
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