Endzeit
Drogen.
»Prost«, sagte Frears, und nachdem sie getrunken hatten, fuhr er fort: »Und nun zum Geschäft, Leone. Was willst du für sie haben?«
Die Maske der falschen Höflichkeit war von ihm abgefallen. Nor-nas Befürchtungen wurden zur Gewißheit. Deswegen hatte Leone sich also bereiterklärt, sie mitzunehmen! Um sie wie ein Stück Vieh zu verschachern! Der Zorn ließ ihre Wangen erröten, aber sie beherrschte sich. Erst recht, als sie Leone sagen hörte: »Sie ist anders als die Frauen, die ich dir bisher verschafft habe. Ich habe so meine Vermutungen, wenn du verstehst, was ich meine. Nona war sehr nervös in den letzten Tagen. Und du weißt, daß morgen Vollmond ist .«
Also hatte er bemerkt, daß sie kein gewöhnlicher Mensch war. Aber wenn er ahnte, daß der Fluch der Lykanthropie in ihr steckte, was hatte er dann mit ihr vor?
Frears leckte sich die Lippen. »Du meinst ...«
»Ich kann es nicht garantieren, sondern nur meinem Instinkt vertrauen«, erwiderte Leone. »Nimm sie, oder laß es bleiben. In jedem Fall ist sie mehr wert als jedes normale Mädchen.«
Dann nannte Leone seinen Preis. Medikamente und Blutplasma. Offensichtlich war die Menge derart unverschämt, daß Frears in Zweifel kam.
»Ich soll also die Katze im Sack kaufen«, meinte er abwägend. »Andererseits erhöht es den Thrill der Aufführung, wenn nicht ganz sicher ist, was mit ihr los ist. Notfalls gibt es sicherlich einige Herren, die etwas mit ihr anfangen können - auch wenn sie keine Wer-wölfin ist.«
Die beiden Männer gaben sich die Hand und besiegelten das Geschäft. Nona blieb wie erstarrt sitzen. Sie hatte sich Schlimmes ausgemalt, aber dies hier übertraf ihre Befürchtungen noch.
»Was hast du mit mir vor, Kretin?« fragte sie Frears eisig.
Er ging nicht auf die Beleidigung ein. »Was schon, Mädchen? Morgen Abend wird es hier eine geschlossene Gesellschaft geben. Mal sehen, wie du uns bei Vollmond in Stimmung bringst!«
Nona sprang auf. Leone griff nach ihr, aber in ihrer Wut schlug sie seinen starken Arm einfach beiseite.
Sie mußte die Tür erreichen!
Aber noch während sie darauf zulief, stellten sich ihr einige von Frears Bediensteten in den Weg. Nona schlug um sich, doch die Übermacht war zu groß. Kräftige Hände griffen nach ihr und hielten sie fest.
Wimmernd wurde sie zu Boden gezwungen. Als sie aufblickte, thronte Frears über ihr und grinste sie mit seinem speckigen Lächeln an. Seine Finger grabschten nach ihr. Nona wand sich unter den Griffen der Männer, aber sie konnte nicht verhindern, daß Frears ihr abschätzend die Brüste tätschelte und dann weiter hinab zu ihrem Schoß fuhr.
Sie spuckte ihm ins Gesicht. Die Antwort war eine schallende Ohrfeige.
»Nicht so stürmisch, mein Täubchen!« höhnte Frears. »Spar dir deine Energie für morgen Nacht auf!«
»Leone, du elender Verräter!« zischte Nona. Ihm hatte sie zu verdanken, daß sie in dieser Hölle gelandet war.
Frears gab ein Handzeichen, und die Männer führten sie ab. Nona begehrte nicht mehr auf. Es war zwecklos. Wenn überhaupt, so würde der Vollmond sie retten .
Frears schien nicht wirklich zu wissen, auf was er sich mit ihr eingelassen hatte!
*
Kierszan wartete. Er war geduldig geworden in den langen Monaten im Gefängnis. Daß man ihn in eine Einzelzelle gesperrt hatte, schien darauf hinzudeuten, daß man entweder etwas Besonderes mit ihm vorhatte oder ihn nach seinem Fluchtversuch für besonders gefährlich hielt.
Zwei ganze Tage lang tat sich nichts. Er hatte mehr Zeit zum Nachdenken denn je.
Immer wieder fielen ihm die Worte ein, die Chiyoda gesprochen hatte. Und je mehr Zeit verging, desto sicherer wurde er, daß er einen Wachtraum erlebt hatte. Es konnte nicht sein, daß sich in seiner Zelle ein Mensch aus dem Nichts manifestierte, um sich anschließend wieder in Luft aufzulösen.
Mehr denn je wurde er sich gewiß, daß er sich Chiyoda nur eingebildet hatte. Vielleicht war sein sechster Sinn dafür verantwortlich gewesen. Es schien ihm auch nicht wichtig, ob die Botschaft, die er empfangen hatte, von einem Wesen wie Chiyoda oder aus seinem eigenen Unterbewußtsein kam.
Wichtig war nur die Botschaft selbst: daß seine besondere Begabung ihm einen Weg hier herausweisen konnte. Wenn er es nur wollte!
Er konzentrierte seine Gedanken auf sein Innerstes. Die Kunst der Versenkung war etwas, das er erst im Gefängnis gelernt hatte. Er konnte seinen Geist völlig von der Außenwelt abschirmen. Es hatte ihm oft geholfen, die
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