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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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Zerstörung ist
megamäßig
. Schreiben Sie das auf. Schreiben Sie auf,
der Sturz von Jesus Christus.
«
    »Was verstehst du darunter?«
    Sie schüttelt den Kopf auf dem Kissen.
» Und so jemand ward nicht gefunden geschrieben in dem Buch des Lebens, der ward geworfen in den feurigen Pfuhl.
Warten Sie ab, bis Sie das sehen, Mann.« Sie blinzelt.
»Siehe, der Herr macht das Land leer und wüst und wirft um, was darin ist, und zerstreut seine Einwohner.«
    »Woher hast du das, Bethany?«
    »Hey, jetzt weiß ich, wer Sie sind. Sie sind Mrs.   Blabla. Mrs.   Wie-fühlst-du-dich-dabei? Hören Sie. Sie kapieren das einfach nicht. Es geht nicht um das, was ich
fühle
. Es geht um das, was passieren wird. Hey. Geben Sie mir den.«
    Sie zeigt auf den Kalender an der Wand. Ich zögere und nehme ihn herunter.
    »Blättern Sie zum Juli«, befiehlt sie. Ich gehorche und gebe ihr den Kalender. »Da.« Sie zeigt auf ein Viereck. »Der neunundzwanzigste. Das wird ein großer Tag.« Sie starrt auf das kleine Datumsfeld, als könnte sie wie durch ein Fenster in die Ferne schauen. »Südamerika. Brasilien. Hurrikan. Wuuuusch. Er schraubt sich rauf, und dann kommt alles runter. Viele, viele Menschen werden ausgelöscht. Kawumm. Mitsamt ihren   … Rollern und Hühnerställen und armseligen Zäunen und schreienden Bälgern und Hündchen Arschgesicht.«
    »Woher weißt du, dass das passieren wird?«
    »Weil ich es gesehen habe, Blödi. Gerade eben.«
    »Das klingt ziemlich beängstigend.«
    »Na und«, sagt sie achselzuckend.
    |55| »Wie meinst du das?«
    »Für die Leute, die sterben, ist es beängstigend. Für mich nicht. Ich meine, die sind mir scheißegal. Ich will sogar, dass sie sterben. Der Planet ist sowieso überbevölkert, oder?« Das erinnert mich verdächtig an das Dogma, über das ich am Wochenende nachgegrübelt habe.
Je weniger, desto besser. Mehr Sauerstoff für uns. Organische Krankheiten.
    »Hast du schon mal von den Planetariern gehört?«
    »Den was?«
    »Das ist eine Umweltbewegung.«
    Ich bin mir nicht sicher, ob sie verwundert oder gelangweilt aussieht. Offenbar kennt sie sie nicht, kann sich nicht erinnern, oder es ist ihr egal. Stattdessen redet sie in rasendem Tempo über Magma und Gase, die unter der Erdkruste gefangen sind, und einen Vulkan, dessen Ausbruch bevorsteht. Ich nicke und sage wenig. Mir fällt ein russisches Wort ein,
izgoj
, mit dem man einen Menschen beschreibt, der aufgrund eines bestimmten Makels absolut untauglich für seinen Beruf ist. Ein Schriftsteller mit Schreibblockade, ein lüsterner Priester, ein betrunkener Chauffeur. Jemand, der so verkorkst ist wie ich, dürfte gar nicht als Therapeutin arbeiten. Noch nicht. Nicht hier. Es ist viel zu früh. Das sieht jeder. Bethany mit ihrer Kompetenzskala hat es längst erkannt. Und doch bin ich hier. Ein
izgoj
.
    Und versuche, einem Mädchen zu helfen, das von den Toten auferstanden ist und vor Ideen nur so übersprudelt.
    »Am zwölften Oktober geht die Post ab«, sagt sie und blättert im Kalender. »Schreiben Sie das auch auf. Streichen Sie es im Kalender an. Haben Sie einen Stift dabei?«
    »Leider nicht.«
    »Dann müssen Sie es sich merken. Genau wie ich. Und schreiben Sie auch über den Hurrikan. Rio, 29.   Juli. Das gehört ins Notizbuch«, sagt sie grinsend und lässt ihre Zahnspange aufblitzen.
    Ich sehe schon ihre nächste Station, eine Einrichtung für Erwachsene wie St. Denis oder Carver Place oder, schlimmer noch, |56| Kiddup Manor, wie sie dort den Rest ihrer Existenz zubringt, nur unterbrochen von gelegentlichen Gewaltausbrüchen und dem einen oder anderen Selbstmordversuch. Doch manchmal möchte man jemandem helfen, trotz allem, was aus einem geworden ist, und obwohl man weiß, dass der andere unerreichbar und man selbst nicht dazu fähig ist; kein Mittel, das man findet, wird seine Flugbahn ablenken: Die Zündschnur brennt schon lange. Aber man versucht es. Versucht es wieder und wieder, bewegt sich in einer Schleife, läuft im Rad. Und wenn man nach Hause kommt, trinkt man unter dem starren Blick von Frida Kahlo, mit ihrem Äffchen, dem toten Kolibri, der unglückbringenden Katze und dem Dornenhalsband, australischen Rotwein und blättert in Kunstbüchern, deren Bilder noch immer Herz und Verstand durchdringen können, und trinkt sich in die Dunkelheit und den Traum, in dem man in die Stratosphäre fliegt und Sex mit einem Mann hat, an den man unter gar keinen Umständen denken darf, weil die Vergangenheit und die Zukunft,

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