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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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Rillen hinterlassen, und die Zeichnungen überlappen einander in einem wirbelnden Palimpsest. Doch trotz aller Wildheit zeichnet sie sicher und geschickt. Es gibt Wolkenformationen, Wellen und felsige Landschaften, kraftvolle Linien mit dunkel schraffierten Schatten. Während ich langsam blättere, erwecken die zahlreichen Pfeile, die in alle Richtungen fliegen, den Eindruck, dass Bethany an eine wissenschaftliche Grundlage ihrer Bilder glaubt. Ihre Lehrer berichteten von ihrer Begabung für Naturwissenschaften, Kunst und Geographie. In dieser Travestie ihrer drei Lieblingsfächer spürt man die zerfetzten Überreste ihres Forschergeistes, einer soliden Bildung. Sie hat die Bilder mit ihrer winzigen Spinnenschrift versehen, die willkürlich über das Blatt taumelt.
DruckbildetsichOstwestanstieg. WieeinDiebinderNachtwerdensieeingeholt.
    »Kannst du mir erklären, was das zu bedeuten hat?«
    Sie lacht leise. »Ich soll Ihnen Armageddon erklären? Ezechiel erklären? Es würde mir gefallen, wenn man eines Tages eine Stadt nach mir benennt. Bethanyville. Oder sogar ein Land. Hey, das wär’s. Bethanyland.«
    Große Worte, die zu erforschen sich lohnt. Patienten sind wie Wollknäuel. Man muss das Ende des Fadens finden und den Rest entwirren, bis sich das Durcheinander löst. Aufpassen, wohin das Knäuel rollt. Meist von irgendeiner Kante hinunter.
    »Hältst du dich in irgendeiner Weise für etwas Besonderes, Bethany? Kommt es dir vor, als hättest du besondere Kräfte?«
    |60| Sie lacht. »Das sag ich doch die ganze Zeit, Blödi. Ich kann die Zukunft sehen.«
    »Und was siehst du da?«
    Sie schaut mich verstohlen von der Seite an. »Bethanyland.«
    »Und wie ist es in Bethanyland?«
    »Total ätzend. Ein richtig beschissener Ort. Alle Bäume sind verbrannt. Alles ist vergiftet. Es gibt auch einen See.«
    »Den Bethany-See?«
    »Da möchten Sie sicher nicht drin schwimmen. Alle Fische sind tot, und überall schwirren Moskitos herum, die, von denen man Malaria bekommt. Da wären Sie echt nicht in Ihrem Element, Roller, aber Sie hätten keine Wahl. Die hätte keiner. Sie könnten von Glück sagen, am Leben zu sein. Sie müssten sich an Konserven gewöhnen. Einen Dosenöffner mitbringen.«
    »Ein düsteres Bild.«
    »Soll ich Ihnen was sagen? Sie sind total auf dem Holzweg. Sie haben sich so sehr verirrt, dass es wehtut. Ich hab doch gesagt, ich kann fühlen, dass Dinge passieren. Joy McConey wusste, dass ich recht habe.«
    Ich erinnere mich an die Abschiedskarte für meine Vorgängerin.
Für Joy. Die wahrhaft glaubte.
Obwohl die Unterschrift unleserlich ist, handelt es sich eindeutig um die kleine, gehetzte Handschrift aus Bethanys Notizbuch. Ein Schauer des Ekels überläuft mich. Hat sich Joy tatsächlich in Bethanys Gekritzel vertieft und Methode in ihrem Wahnsinn entdeckt? Falls sie an Bethanys sogenannte Vorhersagen geglaubt hat, ist es kein Wunder, dass sie eine Auszeit nehmen musste.
    »Wie war es für dich, als Joy gegangen ist?«
    Achselzucken. »Keine große Sache.« Sie blättert im Notizbuch und zeigt mir einige Diagramme, die an Wolkenbewegungen erinnern. »Sie wollte mir nicht helfen, hier rauszukommen, also soll sie sich meinetwegen ins Knie ficken. Aber ihr ist es schwergefallen.« Sie lächelt gerissen. »Sie musste auf das Vergnügen meiner Gesellschaft verzichten. Unter uns gesagt, ich halte sie für leicht |61| paranoid. Ich weiß, was Joy McConey jetzt denkt. Sie denkt, ich hätte meine Rache bekommen.«
    Ich warte auf mehr, aber sie hat sich in ihre Unterlagen vertieft. Zeichnungen von feuerspeienden Vulkanen und weiteren Wirbelstürmen, Pfeile, die in alle Richtungen weisen. Nicht zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass der gestörten Phantasie weniger Möglichkeiten bleiben, als man glaubt. Sie deutet auf eine riesige Verwirbelung. »Ich kann sehen, wie alles fließt. Blut und Wasser und Magma und Luft. Ich kann sehen, wie sich alles bewegt. Ich kann spüren, was in Ihnen vorgeht, ich merke es an Ihrem Blut. Alles.« Ihre Augen funkeln. »Nur die Elektrizität hält mich am Leben. Ich habe allen gesagt, was passiert.
Ihnen
habe ich es auch gesagt. Aber Joy hat
zugehört
. Hey, was meinen Sie wohl, wie viele Sterne ich ihr gegeben habe? Joy McConey, Sie verlassen Oxsmith mit großartigen neun von zehn Sternen!«
    Irgendwie trifft mich das. »Ich höre sehr wohl zu.«
    »Tun Sie nicht. Aber bald. In Schottland kann es jeden Augenblick einen Tornado geben. Passen Sie auf. Und ein ganz großes Ding

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