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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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Bethany mich durchdringend an, als wollte sie jeden Winkel meines Gesichts vermessen. Dann ändert sich ihre Stimmung blitzschnell, und sie lacht leise vor sich hin.
    »Was ist denn so lustig, Bethany?«, frage ich leichthin. Ich bin erleichtert, dass wir wieder auf sicherem Boden sind. »Darf ich mitlachen?«
    »Wow, Roller«, sagt sie erfreut. »Ich lache über
Sie
. Glückwunsch.«
    »Wozu?« Mir ist nicht wohl in meiner Haut.
    Beim Lächeln entblößt sie ihre Zahnspange und kostet die Worte förmlich aus: »Weil Sie flachgelegt wurden.« Ich zucke leicht zurück. »Ha!
Mein Freund ist mir ein Büschel Myrrhen, das zwischen meinen Brüsten hängt!
«
    »Mein Privatleben geht dich nichts an, Bethany.« Es klingt zu scharf. Sie hat mich auf dem falschen Fuß erwischt, und ich habe es mir anmerken lassen.
    »Jetzt schon«, sagt sie grinsend. »Hey.
Mein Freund ist mir eine Traube von Zyperblumen in den Weingärten von Engedi.
Er hat ihn in Sie reingesteckt! Jubilieret!«
    Rafik wendet sich diskret ab. Ich verabschiede mich und rolle rasch hinaus.
     
    Seit sich die Hälfte meines Körpers verabschiedet hat, habe ich gelernt, die winzigen, aber extremen Freuden des Lebens zu entdecken, auszukosten und manchmal sogar zum Fetisch zu machen. So zum Beispiel meine orientalischen Lilien, die sich in einer Explosion geisterhaft weißer Blütenblätter öffnen und die ganze Wohnung mit ihrem alarmierenden, erotischen Duft erfüllen. Oder meine bulgarischen Choräle, die aus dem Nebenzimmer herüberklingen und sich mit alltäglichen Geräuschen |142| mischen: einem metallischen Scheppern, verbunden mit einem Hauch von verbranntem Toast und den gemurmelten Flüchen eines Physikers namens Frazer Melville, der auf meine Bitte hin eine Kanne Lapsang Souchong aufgießt. Es ist Donnerstag, der 21.   August, aber ich bin fest entschlossen, mir von Bethanys Katastrophenkalender nicht den Tag verderben zu lassen. Bislang gelingt es mir ganz gut. Ich genieße es, ich zu sein und niemand anders. Vielleicht habe ich sogar im Spiegel Gefallen an meinem eigenen Bild gefunden. Frazer Melville und ich haben annähernd vierzehn Stunden unter meiner Bettdecke verbracht und »experi mentiert «. Wir verhalten uns absurd. Eine Frau Mitte dreißig und ein Mann von über vierzig, die sich wie Teenager beim ersten Sex aufführen. Frazer Melville und ich prüfen, forschen und tauschen Informationen aus – schüchtern, kühn, im Scherz.
Und wenn ich das hier mache? Das ist gut. Nicht da. Aber hier, so. Nein, da fühle ich gar nichts.
Wir konzentrieren uns sehr auf meine Brüste. Halleluja, ich habe einen Tittenmann erwischt. Letzte Nacht ist er noch einmal vorsichtig in mich eingedrungen. Körperlich habe ich nichts gespürt, nicht einmal ein letztes geisterhaftes Zwicken im Becken. Doch in meinem Kopf sah es anders aus. In meinem Kopf explodierte etwas. Auf unterschiedliche, vielleicht aber auch gar nicht so unterschiedliche Weise scheinen Frazer Melville und ich unseren Spaß zu haben.
    Aber es kann nicht von Dauer sein. Das darf ich nicht zulassen.
    »Wir müssen etwas unternehmen.«
    Er seufzt, rutscht herum, stützt die Ellbogen auf den Tisch, schaut mich eindringlich an und holt tief Luft, bevor er sagt: »Einverstanden.«
    »Falls es morgen wirklich passiert   …«
    »Werde ich einige Kollegen wegen der anderen Vorhersagen kontaktieren, die Bethany gemacht hat.«
    Ich zeige nicht, wie erleichtert ich bin, dass auch er darüber nachgedacht hat.
    |143| »Ohne sie zu erwähnen«, erkläre ich. »Ihr Name darf nicht genannt werden.«
    »Natürlich nicht. Das wäre wissenschaftlicher Selbstmord.«
    »Wie willst du es anstellen?«
    Achselzucken. »Ich werde einer ausgewählten, breit gefächerten Gruppe von Wissenschaftlern, die für so etwas offen sind, mitteilen, dass es Vorhersagen aus einer bestimmten Quelle gibt. Dass sie sich als zutreffend erwiesen haben. Dass das Erdbeben das letzte Beispiel dafür ist. Dass weitere Vorhersagen existieren, die überprüft werden müssen. Dass ich an eine wissenschaftliche Erklärung glaube, die weitere Nachforschungen erfordert. Dass auf jeden Fall die betroffenen Regionen gewarnt werden sollten, da Menschenleben auf dem Spiel stehen.«
    Das klingt einfach. Zu einfach. Aber immerhin haben wir einen Plan.
    Wir bleiben bis Mittag im Bett und schauen uns dann einen netten, harmlosen Film im Kino an. Er ist nicht daran gewöhnt, so nah an der Leinwand zu sitzen, und ich bin es nicht gewöhnt, während eines

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