Energie fur Centaur
den
siebenundzwanzig?
Gernots Gedanken gingen zunächst träge, dann griff es wie
Panik nach ihm. Er lief etliche Meter stadtwärts, fing sich,
verhielt, ging langsam zurück, blieb jedoch voller Unruhe.
Als das Licht in der Stadt hartnäckig ausblieb, zwang er sich,
folgerichtig zu denken. Dann rechnete er sich aus, daß er, wenn
er sich beeilte, in zehn Minuten an einem Sprechgerät wäre und
in weiteren zehn Minuten wieder auf seinem Platz vor der
Stadt.
Gernot rannte los. Solange er sich im freien Gelände befand,
drehte er sich nach wenigen Schritten immer wieder um,
blickte zurück…
In der ersten Pyramide fand er das Sprechgerät außer Betrieb.
Da jede der Behausungen nur eine offizielle Anlage besaß –
abgesehen von den Arbeitsräumen, die jedoch zu dieser Stunde
nicht besetzt waren
–, wandte sich Gernot der nächsten
Pyramide zu. Er hatte Glück, bekam Verbindung mit der
Zentrale und die sehr ungenaue Auskunft, daß über Funk von
Norg mitgeteilt worden war, daß der Transport später eintreffen würde. Auf Gernots Frage, warum man die Lichter gelöscht
habe, fragte die Diensthabende schnippisch zurück, ob er nicht
wisse, daß er sich auf einem energiearmen Planeten befinde…
Also kommt Josephin! Die unbestimmte Sorge der letzten
Minuten fiel von ihm ab. Er sagte der auskunftgebenden
Menschendame eine heitere Unverschämtheit und ging flott
wieder vor die Stadt.
Später begann er zu frieren. Die fremden Sterne strahlten in
einem warmen gelblichen Licht. Sogar freundlicher als auf der
Erde, dachte er. Leiser Wind ließ zart Sand rieseln.
Gernot hüllte sich fest in seinen Umhang, kauerte sich auf
einen Stein am Straßenrand und kroch förmlich in sich
zusammen. Und dann malte er sich aus, wie von nun an alles
viel schöner werden müßte…
Er schrak heftig auf, als das erste Fahrzeug der Kolonne
bereits an ihm vorbei war. Sie fuhren ohne Scheinwerfer, aber
die Kabinen waren hell erleuchtet. Undeutlich gewahrte Gernot
Gesichter.
Er sprang hinter dem ersten Fahrzeug auf die Bahn, fuchtelte
mit den Armen, schrie: „Halt!“
Der Koloß stoppte vor Gernot, Scheinwerfer flammten auf,
blendeten. Dann Stimmen. Gernot sah gegen das Licht – nichts.
Geräusche waren vor ihm, Stimmen. Jemand rief. Die Vibrationen der Maschinen schluckten die Worte.
Und dann fühlte Gernot sich gepackt, umschlungen. Ein
warmer Körper hing an ihm, zwei Lippen trafen die seinen.
Josephin…!
3. Kapitel
„Und du sagst, vieles ist nicht mehr zu gebrauchen.“ Es klang
nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung. Gernot
drehte an seinem Weinglas, er starrte vor sich hin auf den
Tisch.
Josephin nickte. Sie saß ihm gegenüber, blickte ernst. Da sie
das Haar jetzt gerafft trug, wirkte das schmale Gesicht streng.
Über die Stirn zogen sich Falten, verursacht durch ihre
Erregung, mit der sie von der Havarie des Schiffes sprach.
„Einen Augenblick“, bat Gernot. Er faßte flüchtig über den
Tisch nach ihrer Hand. Dann verließ er den Raum.
Nach einer Minute kam er wieder. Ihm folgte Mon. „Das ist
Mon“, sagte Gernot herzlich. „Meine centaurische Partnerin.
Und das, Mon, ist Josephin, meine Gefährtin.“ Trotz des
Ernstes, in den sie geraten waren, sagte er es mit Freude und
auch mit Stolz.
Josephin blickte erstaunt. Dann lächelte sie, reichte Mon die
Hand.
Sie saßen in dem winzigen Gästezimmer des Arbeitstrakts
der Pyramide, in der Gernots Gruppe untergebracht war. Sie
hatten sich hier getroffen, und Gernot hatte das Gespräch noch
einmal auf das Thema gelenkt, das ihn beschäftigte, seit
Josephin und die anderen am Abend nach dem Unfall, der auch
zu der Verspätung führte, berichtet hatten. Und obwohl die
kurze Zeit, die bis zum Morgen noch verblieben war, in großer
Runde verbracht worden war und die Unterbringung der
Neuangekommenen nach centaurischer Art nicht glatt verlief,
Gernot Josephin so viel zu sagen hatte, überlagerte das, was
den siebenundzwanzig als makabrer Willkommensgruß bereitet
wurde, alles Persönliche.
„Fini, wiederholst du bitte, was geschehen ist? Mon weiß
noch nichts.“
Josephins Erstaunen vertiefte sich. Sie begriff nicht, weshalb
Gernot darauf bestand, offenbar vorhandene Lücken im
Kommunikationssystem der Gastgeber zu schließen. Könnten
wir nicht etwas anderes machen, dachte sie. Sie schnitt eine
süßsaure Grimasse, hob die Schultern und schickte sich in das
wohl Unvermeidliche. „Aber es ist alles so, wie ich es bereits
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