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Engel auf Abwegen

Engel auf Abwegen

Titel: Engel auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Linda Francis
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bestanden, den ich die meiste Zeit gewonnen habe. Ich bin sicher, dass dies der Grund für die herablassende Gewissheit meiner Mutter war, dass ich nicht mit meinem Leben fertig wurde. Sie glaubte, dass mir die Welt auf einem silbernen Tablett gereicht wurde, was auch der Wahrheit entsprach. Egal, ich weigerte mich erbittert, zu glauben, dass sie im Hinblick auf meine Fähigkeiten recht hatte, trotz der Sache mit dem fehlenden Geld. Aber wenn ich ihr gegenüber meine Notlage erwähnen würde, würde sie kein Ende finden. Es bestand auch Grund zur Besorgnis, dass mein Vater den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen würde, nachdem er Gordon Ware eine Ladung Schrot in den Bauch geschossen hatte.
    Ich beschloss, meine Probleme für mich zu behalten.
    »Mutter, wirklich, alles ist bestens. Besser als bestens«, fügte ich sicherheitshalber hinzu. »Dies ist ein wundervoller Tag für mich.«

    Ich konnte quasi hören, wie sich die Räder in ihrem Hirn drehten.
    »Bist du sicher?«, fragte mein Vater.
    »Ja, Papa. Alles ist in bester Ordnung.«
    Es bestand keinerlei Zweifel: Ich brauchte nur ein einziges Wort zu sagen, und mein Vater würde Gordon nicht nur ausfindig machen, sondern auch den besten Anwalt in Texas beauftragen, meinen treulosen Ehemann zum Zahlen zu bewegen. Diese Gewissheit hätte vermutlich das Problem wettgemacht, dass meine Mutter mir dieses Debakel mein Leben lang vorhalten würde. Aber ich hatte vor kurzem erfahren, und das sollte eigentlich ein Riesengeheimnis sein, dass die Ölquellen meines Vaters langsam versiegten, und der Preis, den man für ein Stück Vieh erhielt, war auch nicht mehr der gleiche wie früher.
    Meine Eltern hätten das jedoch nie zugegeben. Ich wusste es, weil Gordon der Sache nachgegangen war und mich darüber informiert hatte. Damals war ich dankbar gewesen, dass mein Mann hier und da Investitionen tätigte, damit mein Treuhandfonds aufgebessert wurde. Wer konnte denn wissen, dass er das Geld abpumpte und Gott weiß wohin steckte?
    Kurz gesagt, das Vermögen meiner Eltern wurde immer weniger, und dazu wollte ich nicht auch noch beitragen.
    »Okay, wenn du darauf bestehst, dass alles in Ordnung ist«, sagte meine Mutter.
    »Das tue ich.«
    »Dann kommst du am Sonntag zum Abendessen. Mit Gordon?«
    Du hinterhältiges kleines Luder.
    »Natürlich komme ich, aber rechnet nicht mit Gordon. Ihn hat mal wieder die Abenteuerlust gepackt. Er wird vermutlich
erst in drei oder vier Wochen zurück sein.« Dies war meine Geschichte, und an die hielt ich mich.
    Meine zierliche Mutter grunzte, was ich ziemlich interessant fand, denn mir war kürzlich aufgefallen, dass all die Manieren und Anstandsregeln, die sie mir eingetrichtert und selbst auch befolgt hatte, immer mehr auf der Strecke blieben – als wäre sie an einem Punkt angelangt, an dem sie dachte, das Leben sei zu kurz, um es mit derartigen Spielchen zu vergeuden. Dies hätte wunderbar sein können, aber in dem Augenblick, in dem ich mich nicht an die Regeln hielt, war sie schnell dabei, mich zu kritisieren.
    »Wenigstens kommst du«, sagte meine Mutter. »Das wollte ich nur wissen. Cook kocht das Lieblingsessen deines Vaters: Braten aus der Rippe mit Kartoffeln und Sahnespinat.«
    »Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«, drängte mein Vater.
    »Papa, es geht mir gut. Wirklich.«
    Ich hatte die feste Absicht, sicherzustellen, dass es keine Lüge war.
    Sobald wir das Gespräch beendet hatten, suchte ich im Telefonbuch nach Janet Lamberts Adresse. Die einzig vernünftige Lösung schien zu sein, sich mit dieser Frau zu unterhalten, um herauszufinden, was los war. Aber ihre Nummer war nicht eingetragen.
    Schließlich fand ich sie durch die Auskunft. Sie wohnte in der übernächsten Stadt. Da ich befürchtete, dass sie den Hörer sofort wieder auflegen würde, wenn ich anrief, fuhr ich zu ihrer Adresse nach Twin Rivers, Texas, wo sie in einem Gebiet für Einkommensschwache wohnte. Als ich dort ankam, stand kein Auto in der Einfahrt, und im Haus brannte kein Licht.

    Als ich zur Haustür ging, steckte eine Nachbarin den Kopf zum Fenster heraus. »Janet ist nicht da«, rief die Frau mit starkem texanischen Akzent. »Sie ist mit ihrem eleganten Freund weggefahren.«
    »Freund?«, fragte ich, und das Wort blieb mir in der Kehle stecken.
    »Ja, Gordon Soundso.«
    Umgehend stellte ich mir zwei Fragen:
    1. Hatte mein Mann seiner Geliebten verziehen, dass sie von einem anderen schwanger war?
    2. Oder hatte sie sich, genau wie ich,

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