Engel der Finsternis (German Edition)
die kleine Seitentür der Kirche hinaus ins Freie und verschwand in der Dunkelheit.
„Was ist denn los? Ist etwas passiert?“, murmelte Mechthild schlaftrunken.
„Grimbert.“
„Was ist mit ihm?“
„Er will Franzi finden und zurückbringen.“
„Wieso das denn?“
„Damit man sie verbrennen kann.“
24. Kapitel
„Das solltest du nicht tun. Es ist sinnlos“, redete Meresin auf Franziska ein. „Du kannst nichts für sie tun.“
Das sah Franzi jedoch ganz anders. Sie war verzweifelt. Seit sie wusste, dass ihretwegen Menschen starben, fand sie keine Ruhe mehr. Die Schreie der Frau gingen ihr nicht mehr aus dem Sinn. Nie zuvor hatte sie etwas so schreckliches erleben müssen. Immer wieder wollte sie von Meresin wissen, was genau geschehen war, aber er schwieg beharrlich.
Er wusste, es war auch so schon schwer genug für Franzi. Die Schuldgefühle fraßen sie auf. Meresin wusste, es war zwecklos, sie zu bitten, mit ihm zu kommen. Sie konnte nicht einfach gehen und alle Menschen hinter sich lassen, die ihr etwas bedeuteten. Bleiben konnten sie beide aber auch nicht. Mehrfach erklärte Meresin ihr, warum sie die Gegend verlassen mussten. Am Ende hatte sie ihm erschöpft und den Tränen nah vorgeschlagen, sich alleine in Sicherheit zu bringen. Sie war entschlossen, sich dem Grafen zu stellen.
„Sie wollen mich“, wiederholte Meresin. „Agreas wird mich weiter verfolgen, auch wenn du dich opferst. Er wird die Leute in deinem Dorf weiter quälen und die Bewohner der Burg in Angst und Schrecken versetzen. Er wird es selbst dann noch tun, wenn wir beide längst tot sind. Du kannst nichts dagegen machen. Wenn du ihn aufhalten willst, musst du ihn töten.“
„Dann töte ihn!“, schrie Franzi verzweifelt und erschrak vor sich selbst. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie einem anderen den Tod gewünscht. „Ich weiß, ich sollte es nicht tun, aber ich hasse ihn. Ich kann einfach nicht anders. Er ist …“ Kurz geriet sie ins Stocken und schaute mit schmerzerfüllten Augen zu Meresin auf. „Ich kann die anderen nicht im Stich lassen. Es muss doch einen Weg geben, sie zu retten. Bitte, Meresin, hilf ihnen. Sag mir, was ich tun soll. Ich mache alles, was du willst …“
Meresins Blick war Antwort genug. Es gab nichts mehr zu sagen. Nichts, was er ihr nicht schon dutzende Male erklärt hatte.
Meresin hätte sie einfach mit sich nehmen können. Irgendwann hätte sie vielleicht verstanden, dass es richtig gewesen war, zu gehen. Trotzdem wären da die lebenslangen Schuldgefühle gewesen. Immer, tagein tagaus würde sie sich schuldig fühlen am Unglück der anderen. So wie er es tat - seit tausend Jahren.
Franzi würde daran zerbrechen. Und genau deswegen brachte er es nicht über sich, sie gegen ihren Willen fortzuschaffen. Aber die Zeit drängte. Es war nur noch eine Frage von Tagen, bis Agreas und Harut sie entdecken würden.
„Sie sind uns bereits sehr nahe und werden irgendwann unsere Spuren entdecken. Wir können das nicht verhindern. In dieser Höhle sind wir ohnehin nicht mehr sicher. Wenn sie uns hier entdecken, sitzen wir in der Falle.“
„Dann geh und lass mich hier zurück!“, verlangte Franzi und verschränkte die Arme. Sie wich seinem Blick aus. „Sollen sie mich doch holen. Es ist mir egal. Ich will nicht auch noch schuld sein an deinem Tod. Es ist schlimm genug, dass diese Frau wegen mir sterben musste.“
Sie drehten sich im Kreis. Er konnte nicht ohne sie gehen und sie konnte diesen Ort nicht verlassen. Nicht ohne die gerettet zu haben, die sie liebte.
„Gut“, lenkte Meresin schließlich ein. „Ich hole deinen Vater.“ Franzi wollte etwas erwidern, doch er verbot ihr mit einer ungewohnt heftigen Handbewegung den Mund. „Nur deinen Vater, sonst niemanden! Sobald er hier ist, verlassen wir diese Wälder.“ Meresin blickte Franzi mit einer ungewohnten Härte in den Augen an. Noch nie hatte er sie in dieser Weise angesehen und auch noch nie in diesem strengen Ton mit ihr gesprochen. Wortlos wandte er sich ab und ging zum Ausgang der Höhle.
Er befand sich bereits im Wald, als er ihre leichten, schnellen Schritte hinter sich vernahm. Franziska war ihm gefolgt. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst die Höhle nicht verlassen!“
Statt sich von seinem harschen Tonfall einschüchtern zu lassen und zurück zu weichen, warf Franzi sich in Meresins Arme. „Ich liebe dich! Und ich kann es nicht ertragen, dass du mich im Zorn verlässt.“
Meresin streichelte zärtlich über
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