Engel der Finsternis (German Edition)
wenig. Jetzt noch weniger als vorher. Erst haben sie uns vorgeworfen, die Weiber würden uns verschonen. Jetzt wollen sie uns nicht mehr hier haben, weil das Wilde Heer uns heimsucht.“
„Halt dein Maul!“, schimpfte Grimbert müde. Er war das andauernde Gezeter seiner Frau leid.
„Es stimmt doch! Die Weiber haben nur uns und unser Haus heimgesucht. Niemand sonst ist belästigt worden. Alle sagen, wir bringen nur Unheil über das Dorf. Du wirst keinen im Dorf finden, der nicht der Meinung ist, dass die Weiber nur unseretwegen kommen. Niemand will vom Wilden Heer angegriffen werden, nur weil er im selben Dorf wohnt wie wir.“
Grimbert zog einen Schuh aus, drehte sich um und schlug ihn Heidrun mitten ins Gesicht. „Noch ein Wort und ich verprügle dich hier vor dem Altar und dem Angesicht Gottes so lange bis du kein Wort mehr sagen kannst.“
Die Weiber hatten den Streit der Eheleute ungeduldig mitverfolgt. Sie wussten, was sie zu um hatten. Alle bis auf die Gräfin sollten die Kirche verlassen und möglichst viel Unheil im Dorf stiften. Aber dieses Mal sollten sie dabei nicht solchen Radau machen. Alles sollte still und heimlich geschehen. Damit Katharina in aller Ruhe tun konnte, was getan werden musste.
Nach einiger Zeit traf Agreas in der Dorfkirche ein. Mit einer wegwerfenden Handbewegung schickte er die Weiber hinaus und warf einen flüchtigen Blick auf Grimbert und Heidrun. Beide waren inzwischen eingeschlafen und wälzten sich unruhig im Schlaf hin und her.
„Du weißt, was du ihm sagen sollst. Mache deine Sache gut, dann wird alles so ausgehen, wie wir uns das wünschen. Bist du bereit?“ Die Antwort der Gräfin bestand aus einem kaum sichtbaren Nicken. „Dann tu es!“
Katharina schloss die Augen und sprach die magischen Worte - leise, fast unhörbar. Die Formel konnte, aber musste nicht laut gesprochen werden. Es handelte sich um einen reinen Willensakt. Man musste den Wunsch zur Wirklichkeit machen wollen. Und sie hatte es noch nie getan. Agreas wusste es. Deswegen blieb er neben ihr, bis die Verwandlung vollzogen war und Katharina die Gestalt von Franzis Mutter angenommen hatte. Zufrieden nickte Agreas und verließ die Kirche.
Katharina trat zu Grimbert, kniete sich neben ihn auf den Boden und beugte sich über den Schlafenden. Ihr langes, seidiges schwarzglänzendes Haar legte sich wie ein hauchdünner Schleier über Grimberts Gesicht. Sie näherte ihre Lippen den seinen und berührte zärtlich seinen Mund. Er stöhnte im Schlaf und zog die Decke höher, die ihm Jakobus gegen die Kälte gegeben hatte. Katharina blies ganz sanft über seine Wange, seine Nase und seine geschlossenen Augen. Sie küsste seine Schläfen, seine Stirn, seine Nasenspitze und dann erneut seinen Mund. Dieses Mal erwiderte Grimbert den Kuss.
Er erinnerte sich noch sehr gut an diese Berührung und an diesen Duft. Franzi verströmte genau denselben Geruch. Immer wenn sie bei ihm stand oder saß, erinnerte sie ihn schmerzlich an ihre verstorbene Mutter. Die Erinnerung peinigte ihn ebenso sehr wie sie ihn glücklich machte. Sie erfüllte ihn mit Trauer, weil er wusste, seine geliebte Frau war tot und würde nie wieder zu ihm zurückkehren. Und sie schenkte ihm ein Gefühl unaussprechlichen Glücks, weil sie ihn daran erinnerte, dass nicht alles in diesem harten und entbehrungsreichen Leben schlecht war. Franzis Mutter war sein Licht in finsterer Nacht gewesen. Seine Sonne, die ihn gewärmt und ihm Hoffnung und Zuversicht gegeben hatte. Allein wegen Franzis Mutter hatte es sich gelohnt zu leben. Seit ihrem Tod bereute er, diesen Gedanken nie ausgesprochen zu haben.
Als er erwachte, war das Erste, was er wahrnahm, eben dieser süße, reine Duft, der von ihrer Haut ausging. Dann hörte er ihre Stimme. Die weiche, mädchenhafte Stimme seiner ersten Frau.
„Grimbert, ich liebe dich!“
Ihr Gesicht befand sich direkt über seinem. Es war dunkel und er konnte kaum etwas erkennen. Doch es war alles so wie früher. Er nahm sie in den Arm und drückte sie an sich. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und öffnete ihren Mund. Ihre Zungen suchten und fanden sich in einem leidenschaftlichen Kuss. Katharina schob die Decke beiseite und legte sich auf ihn. Grimbert konnte ihren Körper spüren, erkannte die Form ihrer Brüste, ihrer Hüften und ihrer Schenkel. Und ihm wurde heiß. Sein Atem beschleunigte sich, sein Herz begann wie wild zu pochen und seine Hände wurden feucht. Grimbert hörte sie voller Verlangen seufzen und
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