Engel der Finsternis (German Edition)
gab ihr keine Antwort, wenn sie ihn etwas fragte, und sagte nichts zu dem, was sie ihm zu erklären versuchte. Stumm hörte er ihr zu. Manchmal schloss er die Augen. Das geschah immer dann, wenn Franzi etwas sagte, was ihm besonders zu schaffen machte. Etwa, dass sie Meresin liebe, oder die Schutzengel, die den Menschen im Schlaf erschienen, eigentlich keine Engel seien, sondern von Gott gesandte Dämonen. Dämonen, die in Seinem Auftrag die Menschen verführen und vom rechten Weg abbringen sollten. Nur einmal richtete er das Wort an Franzi.
„Wo hält sich der Dämon versteckt?“
In dem Punkt schwieg Franzi sich jedoch aus. Sie blieb auch stumm, als sie bei Anbruch der Dämmerung endlich die Burg erreichten und Grimbert kurz innehielt, um Gott für die wundersame Rettung zu danken.
Verzweiflung machte sich in Franzi breit. Wenn nicht einmal ihr Vater ihr glaubte, wer sollte ihr dann glauben? Sie begriff nicht wirklich, was vor sich ging. Alles ergab überhaupt keinen Sinn. Wieso ließen die Weiber und die Dämonen sie einfach so ziehen? Agreas konnte nicht ernsthaft glauben, Meresin wäre so dumm und käme nach Waldenfels. Es wäre doch besser gewesen, Franzi irgendwo im Wald zu verstecken und darauf zu warten, dass er sie suchen würde. Noch viel weniger vermochte sie zu begreifen, was ihr Vater mit dieser ganzen Sache zu tun hatte. Warum war ausgerechnet er im Wald erschienen? Und ausgerechnet in dem Moment, als Meresin ihn hatte holen wollen. Und wo war Meresin gewesen? Er hatte sich versteckt. Das war ihr klar. Aber warum? Meresin hätte die Weiber mühelos besiegen können.
Ein furchtbarer Gedanke setzte sich in ihrem Kopf fest. War er womöglich nicht erschienen, weil die anderen Dämonen in der Nähe waren? Als Franzi die Wahrheit erkannte, wusste sie, dass sie verloren war. Sie war ein einfaches Bauernmädchen, gewiss, aber deswegen nicht dumm. Das alles war nur ein abgekartetes Spiel und gehörte zu Agreas` Plan. Er wollte Meresin und sie stellte den Köder dar, mit dem er ihn aus dem Wald locken wollte.
Franzi würde ihn nicht verraten. Sie würde weder dem Grafen noch den Dämonen berichten, wo Meresin sich aufhielt. Egal, was auch immer sie ihr antaten, sie würde schweigen. Aber Franziska hatte keine Vorstellung davon, was sie erwartete.
Schon in der Vorburg schlug ihr der blanke Hass der Bauern und Handwerker entgegen. Man starrte sie an wie ein tollwütiges Tier und deutete mit Fingern auf sie. Sie hörte, wie die Leute tuschelten, wie sie wütend ausspien oder sie mit entsetzlichen Schimpfworten beleidigten. Man nannte sie Ketzerin und Teufelshure, Schwarzkünstlerin und Dämonenbraut. Niemand zeigte auch nur das geringste Mitleid mit ihr. Nur ihren Vater bewunderte so mancher und nickte ihm anerkennend zu. Der eine oder andere gab ihm durch ein Handzeichen oder ein knappes Wort zu verstehen, dass er begrüßte, was Grimbert getan hatte. Eine alte Frau trat vor, wischte Grimbert das Blut ab und setzte ihm einen Krug mit Wasser an die Lippen. Für Franzi hatte sie nur einen verächtlichen Blick übrig. Sie machte auf der Brust von Grimbert das Zeichen des Kreuzes. „Gott sei mit dir!“
Franziska hing kraftlos über der Schulter ihres Vaters, die Arme noch immer auf dem Rücken gefesselt, und drehte den Kopf hin und her. Es kamen immer mehr Leute aus den Häusern und Ställen herbei gelaufen. Der Burghof füllte sich. Die Nachricht von Grimberts Ankunft verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf Waldenfels.
Noch ehe Grimbert den Steg erreicht hatte, der hinauf zum Wehrturm führte, kam schreiend und wild gestikulierend der Burgkommandant angerannt. „He, du! Bleib stehen!“, brüllte er. „Was tust du da?“
„Ich bringe meine Tochter zum Grafen.“
„Und wieso trägst du sie auf der Schulter? Ist sie verletzt? Wieso ist sie gefesselt?“
„Sie ist nicht mehr meine Tochter, Herr!“
„Was redest du da für dummes Zeug?“
„Sie hat bei einem Dämon gelegen.“
Der Burgkommandant war sprachlos. Rasch bekreuzigte er sich. „Und du hast sie ganz allein aus den Klauen dieses Ungeheuers befreit?“ Voller Bewunderung betrachtete er die Wunden an Grimberts Körper.
„Ja, Herr!“
„Du bist ein tapferer Mann. Gib her!“ Der Burgkommandant nahm ihm seine Tochter ab und warf sie sich über die Schulter, so wie es Grimbert zuvor getan hatte, und betrat den Steg. „Komm mit! Bringen wir sie zum Grafen. Er kann es sicher kaum erwarten, sie wieder zu sehen.“
25. Kapitel
„Das
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