Engel der Finsternis (German Edition)
daran, dass du sagtest, sie solle verschwinden und zu den Weibern in den Wald gehen?“
Walburga zitterte am ganzen Körper und rutschte unruhig auf den Knien hin und her. „Ich … kann mich nur schwer an etwas erinnern.“
„Gib dir Mühe, es ist wichtig!“
„Also, wenn ich es recht bedenke, dann glaube ich, es könnte sein, dass ich womöglich so etwas gesagt habe. Aber ich bin nicht sicher. Also ich meine, ich habe es vielleicht gesagt, ohne es so zu meinen, weshalb man mich falsch verstanden hat und mir nun Worte in den Mund legt …“
„Hör auf zu plappern!“, schrie der Graf und schlug mit der flachen Hand so fest auf die Tischplatte, dass die Becher schepperten. „Ich will die Wahrheit! Sofort!“
Walburga brachte kein Wort mehr heraus und Hieronymus warf dem Grafen einen missbilligenden Blick zu. „Walburga!“, begann er, sichtlich um Fassung bemüht, obwohl auch er mit seiner Geduld am Ende war. „Dein Vater hat Franzi in die Burg gebracht. Sie war nicht allein im Wald. Weißt du, wer bei ihr war?“
„Der Dämon?“ Walburga wagte kaum, den Kopf zu erheben. „Er hat ihr nichts getan?“
„Nein“, bestätigte der Kaplan. „Ganz im Gegenteil.“
Walburga drehte langsam den Kopf zu Franziska und starrte sie fassungslos an. Erst jetzt begriff sie, was wirklich geschehen sein musste. Die Federn im Gemach der Gräfin stammten von Balam und nicht vom Schutzengel ihrer Schwester. Der war also gar kein Schutzengel, sondern ein Dämon. Und das Wilde Heer hatte nie etwas gegen Franziska unternommen, weil es sich vor diesem Dämon fürchtete. Walburga versuchte, ihre Gedanken zu ordnen und sich an alles genau zu erinnern. Was hatten die Weiber gesagt? Was hatte Balam ihr erklärt? Sie wollte sich auf keinen Fall durch ein unüberlegtes Wort wieder in Schwierigkeiten bringen. Aber wenn ihre Schwester wirklich mit einem Dämon im Bunde stand, war klar, warum nichts so geschehen war, wie Balam es ihr vorhergesagt hatte.
„Walburga?“, drängte der Kaplan.
„Ich wusste nicht, dass es ein Dämon war. Franziska hat immer erzählt, er sei ihr Schutzengel.“
Schweigen. Alle sahen auf Walburga.
„Aber ich habe ihr nie glauben wollen.“
„Warum?“
„Engel dürfen sich doch nicht mit einer Frau einlassen. Franziska hat immer von ihm gesprochen wie von einem Mann.“ Sie blickte hilfesuchend zum Kaplan. Der gab durch nichts zu erkennen, dass er ihre Anspielungen verstanden hatte. Auch der Graf und die anderen beiden Männer am Tisch saßen nur regungslos da und warteten darauf, dass sie fortfuhr. „Ich hatte immer den Eindruck, dass Franziska und der Engel ein Paar waren, ein Liebespaar. Und deswegen habe ich ihr nie geglaubt.“ Immer noch schwiegen alle. „Mehr weiß ich nicht. Ich schwöre es! Aber ich habe nie verstanden, warum das Wilde Heer wegen ihr gekommen ist und dann doch nur die anderen gequält hat und nicht sie. Das ist doch merkwürdig. Franziska hat selbst gesagt, sie würde von den Weibern verfolgt, von der toten Gräfin und einigen anderen, aber es ist ihr nie etwas passiert.“
„Das führt zu nichts.“ Der Graf presste verärgert die ohnehin schmalen Lippen zusammen, bis sie nur noch eine dünne Linie bildeten. „Verschwinde! Du und Grimbert, ihr könnt nach Hause gehen.“ Walburga schrie auf vor Erleichterung und dankte dem Grafen überschwänglich. Doch der wollte davon nichts wissen. „Raus!“, schrie er. „Alle raus!“
Die Männer am Tisch waren alle überrascht und sahen sich fragend an. Konrad erhob sich, ging hinter dem Burgkommandanten vorbei um den Tisch herum und einige Schritte in den Saal hinein. Den Blick starr auf Franzi gerichtet, ging er mit wildem Keuchen auf und ab, ballte die Fäuste und knirschte sogar mit den Zähnen vor Wut. Alle sahen, dass ihm ein Gedanke durch den Kopf ging, der ihm sehr zu schaffen machte.
Franzi wich seinem Blick aus und senkte den Kopf. Sie weinte leise, so wie sie es schon zuvor bei der Vernehmung von Walburga getan hatte. Es gab keine Hoffnung mehr. Meresin konnte sie nicht mehr retten. Er hatte sie immer gewarnt. Nun war sie von ihrem eigenen Vater an Konrad ausgeliefert worden.
„Hat nicht die Alte im Dorf gesagt, Walburga wollte mich vor Franzi warnen?“, fragte der Graf die Männer am Tisch.
„Ja, das hat sie“, bestätigte der Kaplan. „Warum fragt Ihr?“
Konrad hob abwehrend die Hand und schüttelte leicht den Kopf. Dann fuhr er fort: „Und Grimbert sagte, Franzi habe behauptet, die Schutzengel
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