Engel der Finsternis (German Edition)
Lippen und trat aus dem Schatten. „Glaubst du etwa, du könntest das ertragen?“
Franzi drückte sich gegen die feuchte Wand und starrte voller Furcht den Dämon an, der in Gestalt eines Engels langsam auf sie zukam. Sein Körper war von demselben überirdisch schönen, bläulichen Lichtkranz umgeben, den sie schon so oft an Meresin gesehen hatte. Auch von Agreas ging eine angenehme Wärme aus. Er verströmte einen paradiesischen Duft, der für einen Augenblick den unerträglichen Gestank völlig überdeckte. Aber Franzi ließ sich von der himmlischen Pracht seines Auftritts nicht blenden. Sie wandte den Blick ab und dachte daran, dass diese Gestalt vor ihr der Dämon war, der Meresin und sie töten wollte.
In seinem Namen waren die Frauen im Wald von Harut auf unbeschreiblich grausame Art und Weise zu Tode gefoltert worden. Er hatte die Gräfin geschwängert und tatenlos dabei zugesehen, wie sein Sohn sie von innen heraus aufgefressen hatte. Auf Agreas` Befehl hin hatte Balam ihre Schwester verführt und sie dazu gebracht, das Wilde Heer herbeizurufen. Ihm konnte man nicht trauen. Meresin hatte es ihr immer wieder gesagt. Er hatte Franzi jeden Tag davon zu überzeugen versucht, dass Agreas die Menschen im Dorf und in der Burg längst in seiner Gewalt hatte. Aber sie hatte es nicht wahrhaben wollen. Nun befand sie sich hier im Verlies. Zusammen mit eben dem Scheusal, das ihren Tod wollte.
„Ich will nicht, dass du stirbst“, murmelte er und streckte eine Hand nach ihr aus. „Du bist viel zu schön, um einen so furchtbaren Tod zu erleiden.“ Agreas` Fingerspitzen glitten zärtlich über ihre tränenverschmierte Wange, hinauf zu den geschwollenen Lidern ihrer geröteten Augen und von dort wieder hinab über ihren Nasenrücken zu ihren Lippen. Vorsichtig befühlte er sie und folgte mit seinen Fingerspitzen der Linie ihre Oberlippe bis zum Mundwinkel. „Wenn du mir nur ein kleines bisschen entgegenkommen würdest, wäre ich sofort bereit, dich von hier wegzubringen.“ Sein Gesicht befand sich nun direkt vor ihrem.
Franzi wagte es nicht, sich abzuwenden, solange seine Hand an ihrem Mund lag. Sie spürte die Spitzen seiner Fingernägel auf ihrer Haut. Er könnte ihr das ganze Gesicht zerfleischen, ohne ein Messer ziehen zu müssen. Sie wäre entstellt und verstümmelt, noch ehe die Soldaten die Tür geöffnet hätten. Wenn sie es überhaupt tun würden. Franzi war nicht entgangen, wie sehr sie sich vor dem Erscheinen Meresins fürchteten. Dabei hatten sie von ihm wesentlich weniger zu befürchten als von Agreas, dessen Anwesenheit sie nicht einmal ahnten.
Um Hilfe zu rufen wäre sinnlos. Franzi dachte nicht einmal daran. Meresin würde sie nicht hören. Und wenn, dann würde ihn ihr Ruf nur quälen. Er sollte sich in Sicherheit bringen. Sie selbst trug die Schuld an dem, was ihr nun bevorstand. Mit geschlossenen Augen erwartete sie das Unvermeidliche.
Seine Lippen pressten sich auf die ihren. Seine harte, spitze Zunge zwängte sich zwischen ihre Zähne und öffnete ihren Mund. Er züngelte wie eine giftige Schlange. Und Franzi ließ alles geschehen, ohne sich zu rühren. Agreas wartete doch nur darauf, dass sie sich wehrte. Vielleicht wollte er sehen, wie sie weinte oder vor Angst zitterte. Sie tat weder das eine noch das andere. Das wirkte. Agreas ließ überraschend schnell von ihr ab. Aber er war noch lange nicht bereit, aufzugeben.
„Vielleicht brauchst du nur etwas Zeit, um dich an mich zu gewöhnen“, begann er erneut. „Ich könnte dir Sachen beibringen, die du dir noch nicht einmal vorstellen kannst. Was hältst du davon?“ Seine rechte Hand legte sich auf ihre linke Brust. „Willst du nicht lieber in meinem Bett liegen, statt auf der Streckbank?“
Franzi ekelte sich dermaßen vor seinen Berührungen. Am liebsten hätte sie ihn angespuckt.
„Sieh mich an!“, befahl er, aber Franziska schloss stattdessen die Augen. Er vergrub seine Fingernägel in ihrer Brust. Franzi riss die Augen auf und biss die Zähne zusammen. „Siehst du, es geht doch. Und das war noch gar nichts im Vergleich zu dem, was dir in der Folterkammer bevorsteht.“
Sie stieß einen leisen Schrei aus. Seine Hand auf ihrer Brust war mit einem Mal unerträglich heiß geworden. Der Schmerz verschwand sofort wieder. Aber für die Dauer eines Wimpernschlags war er kaum auszuhalten gewesen.
„Hast du es gespürt? So wird es sein, wenn sie dich foltern. Mit dem Unterschied, dass sie nicht mehr damit aufhören werden, dir solche
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