Engel der Kindheit
Lenas Gesicht fehlte, erhellte Sonjas Gesicht. „Ich bin ja so froh, dass du deinem Herzen einen Stoß gegeben hast. Krischan ist so ein netter Mann! Er wird dich auf Händen tragen, wird dir jeden Wunsch von den Augen ablesen...“
„Mama, bitte!“, genervt fiel Lena ihrer Mutter ins Wort. „Ich kann diese Lobeshymnen nicht mehr hören! Sei zufrieden, dass wir... wir...“, mit Blick auf ihre Tochter, die genüsslich ihre Cornflakes mit Milch aus ihrer Schale löffelte, verschluckte Lena den Rest des Satzes.
„Lena, seit wann bist du so... so... so aggressiv?“
`Seit der Mann, den ich liebe, mir seine Hochzeitsanzeige geschickt hat´, dachte Lena. Die Antwort auf die Frage blieb sie schuldig.
Nach dem Frühstück ging Lena unter die Dusche, Babs zog sich solange an, dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg durch die blühenden Wiesen, durch den herb duftenden Wald, sie beobachteten die Vögel, die ihre Nester bauten und ihre Rivalen wütend zwitschernd und flügelschlagend in die Flucht schlugen. Herrlich frühlingshaft schien die Sonne von einem mit schneeweißen Wolken überzogenen Himmel.
Nach reiflichem Überlegen hatte Lena sich entschlossen, zusammen mit Babs die ganzen sechs Ferienwochen über auf Amrum zu verbringen. Außer sich vor Freude war Krischan gewesen, als sie es ihm am Telefon mitgeteilt hatte.
Gespannt wartete er vor dem Haus auf ihre Ankunft. Vor einer halben Stunde war er von der Aufzuchtstation zurückgekommen. Nervös lief er über den weißen Kies, der unter seinen Füßen knirschte.
Da endlich sah er Lenas Auto, die die Strecke zum ersten Mal alleine gefahren war. Ihre Eltern würden die letzten zwei Wochen der Sommerferien ihre übliche Ferienwohnung beziehen.
„Lena, Liebling, endlich!“ Ungeduldig öffnete er ihr die Fahrertür und wartete sehnsüchtig, bis er sie in die Arme ziehen konnte.
„Krischan!“ Erfreut stieg Lena aus und schmiegte sich in seine starken Arme, sie erwiderte seinen stürmischen Kuss, löste sich aber bald, um Babs aus dem Auto zu helfen.
„Hallo Babs!“ Abwartend ging Krischan vor ihr in die Hocke, streckte ihr die Hand entgegen und lächelte fröhlich, als sie ihn, ebenso, wie sie es bei ihrer Mutter gesehen hatte, mit einem Kuss begrüßte, der seine Wange traf.
„Na, das lobe ich mir, zwei stürmische junge Damen!“ Liebevoll nahm er Babs auf seinen Arm und trug sie in das gemütliche Haus.
„Hast du Lust, dein Zimmer anzusehen?“ Behutsam streifte Krischan ihre Locken hinter die kleinen Ohren, wie er es bei Lena immer tat.
Begeistert nickte Babs. Pudelwohl fühlte sie sich, so hoch oben auf dem starken Arm.
Um die Spannung ein wenig zu steigern, öffnete Krischan ganz langsam die Türe neben dem Schlafzimmer.
Lena, die hinter ihnen herlief, starrte entsetzt auf das komplett eingerichtete Kinderzimmer. Ihr schmaler Unterkiefer verlor seine Muskulatur, er sank herab und ihr Mund stand offen.
„Krischan! Du bist komplett übergeschnappt!“ So acht musste sie geben, damit ihre schäumende Wut, die in ihr beinahe überbrodelte, nicht zu sehr herauszuhören war. Überfahren kam sie sich vor. Ohne sie zu fragen, hatte er hier alles eingerichtet, wie wenn sie hier einziehen würden. Das hatte sie ganz bestimmt nicht vor!
Wirklich niedlich war das Zimmer mit einer Kindertapete tapeziert, auf der Nilpferde, Zebras, Affen, Löwen, Elefanten und Nashörner über eine grüne, saftige Wiese liefen, der blaue Himmel der Steppe über ihnen.
Ein großes Kinderbett, beladen mit kuschelig weichen Stofftieren, stand an der Innenwand des Zimmers, daneben ein Regal aus Fichtenholz, indem knallrote, leuchtendgrüne und himmelblaue Kisten Spielsachen enthielten, von denen ein dreijähriges Mädchen nur träumen konnte. Bilderbücher, Farbstifte und Zeichenblätter lagen auf einem Kindertisch, der in der Mitte des Zimmers stand. Um ihn herum bunte Kinderstühle mit dicken klobigen, buntlackierten Beinen. Auf dem Teppichboden waren Straßen, Ampeln, Radwege, Häuser, Schulen und Kindergärten, Radfahrer und Autos zu sehen.
Am großen Fenster, durch das man die herrliche Dünenlandschaft sehen konnte, klebten Fensterbilder an den Scheiben, auf denen Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg schwerelos ihre lustigen Streiche ausheckten.
„Krischan, das war nicht ausgemacht!“, zischte Lena, böse blitzte sie ihn an.
Niemals zuvor hatte Krischan sie so gesehen, er ließ Babs auf den Boden, augenblicklich rannte sie zu den bunten Kisten, setzte sich
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