Engel der Kindheit
beendete Lena das Gespräch, gab die Anweisungen, dass ihr Vater ihre Patienten mit übernehmen und ihre Mutter verständigt werden sollte.
Hastig wusch sie sich die Hände, holte ihre Handtasche und fuhr zur Schule.
Frau Hartmann erwartete Lena bereits an der geöffneten Klassenzimmertüre des kleinen Schulgebäudes und führte sie sofort zu Babs.
„Babs, Engelchen was machst du denn für Sachen?“ Zusammen mit Frau Hartmann betrat Lena das Krankenzimmer. Besorgt setzte sie sich zu ihrer Tochter, die leichenblass auf der kalten Liege lag, die mit einem weißen Papier abgedeckt war. Sacht hob Lena Babs auf ihre Arme, müde schmiegte diese sich hinein.
„Ich bin so müde, Mami! Ich habe gar nicht gemerkt, wie ich hierhergekommen bin!“ Tränen liefen an ihren Wangen hinunter.
„Wir werden gleich ins Krankenhaus fahren!“ Alarmiert von dem miserablen Zustand ihrer Tochter wollte Lena vermeiden, dass zu viel Zeit verloren ging. Geschwind nahm sie Babs auf ihre Arme und trug sie zum Wagen, Frau Hartmann half ihr, die Türen zu öffnen.
„Ich melde mich bei Ihnen!“ Gewissenhaft schnallte Lena Babs in ihrem Kindersitz fest, stieg ein und fuhr nach Hamburg in das Kinderkrankenhaus. Ihren Wagen parkte sie im Parkhaus.
„Kannst du gehen oder soll ich dich tragen?“ Beunruhigt sah Lena in das blasse Gesicht ihrer Tochter. Tief lagen die Augen in dunklen Höhlen.
„Kannst du mich tragen? Ich bin so müde!“ Schlapp streckte Babs ihr die Arme entgegen. Vorsichtig schob Lena die Arme unter ihre Tochter und hob sie an ihre Brust. Gelenkig schlug ihr Bein die Autotür zu. Mit der Automatik verschloss sie die Türen.
In der hektischen Ambulanz, die Lena wie ein surrender Bienenschwarm vorkam, mussten sie ihre Personalien aufgeben. Nach einer halben Stunde kam ein Arzt, der sie in ein Behandlungszimmer führte.
„Ich bin Doktor Herlach! Erzählen Sie mir kurz, was die junge Dame hat?“ Interessiert musterte er die schöne, junge Frau, die unmöglich die Mutter dieses Kindes sein konnte.
„Meine Tochter ist seit zwei, drei Wochen so müde. Heute ist sie in der Schule zusammengebrochen!“ Ängstlich sah Lena den Arzt an. Bebend hielt sie Babs Hände fest umschlungen, die auf einer harten Untersuchungsliege lag.
Das Zimmer war steril in schwarz und weiß gehalten. An den Wänden waren Spritzen- und Kanülenspender befestigt. Lange Röhren verbreiteten blendendes, eiskaltes Neonlicht.
Der Arzt trat zu Babs, er hatte ein jugendlich freundliches Lächeln, war aber sicherlich schon weit über fünfzig Jahre alt. Seine braunen Haare waren kurz geschnitten, die dunkelbraunen Augen musterten sie sehr genau und nahmen jedes Detail auf.
Widerstrebend trat Lena zur Seite, jeden Handgriff des Arztes verfolgte sie genauestens.
„Wir müssen Blut abnehmen! Dann werden wir mehr wissen!“
Kurzentschlossen drückte er die Taste seiner Sprechanlage auf dem Schreibtisch und bat die Schwester zu sich.
Verschiedene Spritzen und eine Kanüle lagen in einer silberglänzenden Nierenschale, die die Schwester hereintrug. Nett erklärte Doktor Herlach Babs, was er nun machen würde, band den grünen Stauschlauch um ihren dünnen Arm, suchte die Vene, wischte mir Alkohol die Armbeuge ab und stach vorsichtig hinein. Zitternd sah Lena zu, wie er die Spritzen wechselte, in jede genügen Blut füllte, dann den weißen Tupfer nahm, auf die Einstichstelle legte, den Stauschlauch öffnete und die Kanüle langsam herauszog.
Tapfer hatte Babs durchgehalten. Keine einzige Träne schimmerte in ihren müden Augen.
„Ich warte auf das große Blutbild!“ Gab er der Schwester die kurze Anweisung, ehe sie den Raum verließ.
„Fünf Minuten dauert es ungefähr, Frau Johle! Solange lasse ich Sie alleine!“ Sachlich nickte der Arzt ihr zu, bevor er die Türe hinter sich schloss.
Um Ruhe bemüht setzte Lena sich zu Babs, fuhr ihr über das Gesicht, strich ihr die Haare hinter die Ohren und sprach leise mit ihr.
Als Doktor Herlach das Zimmer betrat, wusste Lena, dass eine schreckliche Nachricht auf sie zukommen würde. „Frau Johle, dürfte ich Sie kurz in ein anderes Zimmer bitten! Babs, deine Mama kommt gleich wieder!“ Rasch lief Doktor Herlach vor ihr über den langen Korridor, öffnete die Türe zu einem kleinen Besprechungszimmer, bat Lena Platz zu nehmen und schloss die Türe. Schlicht setzte er sich auf die Schreibtischkante, schlug die Arme übereinander, während Lena auf dem mit derbem dunkelblauem Stoff überzogenen Stuhl
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