Engel der Kindheit
Vorstellungen aus, allerdings blieb die überdurchschnittliche exzellente Brillanz von Nils Können auf der Strecke.
Morgen fanden die Verhandlungen mit ihrem größten Konkurrenten statt. Dank Samuels geheimen Machenschaften hatten sie sich in den Ruin gewirtschaftet. Ihre letzte und einzige Möglichkeit, Kapital zu erhalten bestand darin, `Rodneys Sea Side´ die Mehrheit zu übertragen.
Messerscharf musste Nils verhandeln, was ihm gar nicht lag. Dazu war er nicht geboren! Zusehen musste er, nein, bestimmen musste er, war der Gesprächsführer darüber, dass eine langeingesessene Firma auseinandergerissen werden würde. Wenn er daran dachte, wie viele Arbeiter durch ihn seinen Arbeitsplatz verlieren würden, wie viele unschuldige Kinder von ihren betrunkenen Vätern geschlagen werden würden, weil sie keinen Arbeitsplatz mehr finden würde, weil sie zu alt waren... wie sein Vater damals, als die Werft fusioniert hatte, überkam ihn eine solche Übelkeit, eine solche Wut ballte sich in ihm zusammen und er war machtlos, etwas dagegen zu unternehmen.
Bis in das letzte Detail erklärte Samuel ihm, was er morgen von ihm verlangte.
Den Kopf voller Gedanken, kam Nils am Abend nach Hause.
„Dieser verflixte Köter wird keine Nacht unter diesem Dach verbringen! Ich werde ihn eigenhändig rausschmeißen! Gib ihn sofort her! Gib ihn mir!“, kreischte Marie-Luise mit sich überschlagender, schriller Stimme.
So schnell er konnte rannte Nils in Sams Kinderzimmer. Keifend hallte Marie-Luises grelle, klirrende Stimme durch das ganze Haus. Außer sich vor Wut hörte er wie ihre ausgestreckte, flache Hand auf das Gesicht seines Sohnes klatschte, ein paar Mal hintereinander.
„Lass den Jungen!“, brüllte Nils beim Öffnen der Türe, zerrte Marie-Luise von Sam weg, auf den sie wild eingeschlagen hatte. Anstatt sich zu schützen, hatte er seinen Hund geschützt, den er fest im Arm gehalten und den Oberkörper über ihn gebeugt hatte.
„Du hast mir nichts zu sagen!“ Wild versuchte sie weiterhin auf Sam einzuschlagen, doch Nils riss sie herum, ihre Hände trafen ihn, mit Leichtigkeit hielt er ihre Handgelenke fest und sah sie wutentbrannt an, schob sie zu der Wand und legte von Sinnen die Hände um ihren Hals.
„Nie wieder wirst du Sam anrühren!“ Voll ungebändigtem, ätzendem Hass schrie Nils sie an, hart presste er sie gegen die Wand und seine Hand drückte ihre Kehle zu. Mit ungläubigen, geweiteten Augen sah Marie-Luise ihn an, verzweifelt schnappte sie nach Luft, fuchtelnd schlug ihre freie Hand auf Nils Rücken ein, aber sie hatte keine Chance gegen seine Kraft.
„Papi!“ Wimmernd hallte Sams ängstliche Stimme durch das Zimmer. Ganz deutlich hörte es Nils.
„Sag es, Marie-Luise, ansonsten bist du mausetot!“ Kurz lockerte er seinen Griff, in seinen Augen stand der aufgestaute Hass aller Demütigungen, die er und sein Sohn jemals erleiden mussten. Zu allem war er fähig!
Grauenvoll erkannte Marie-Luise die tödliche Gewalt, die in ihm ausgebrochen war. „Ich... ich... werde...!“
„ Was Marie-Luise! Sag es!“ Stahlhart durchbohrten seine Augen sie. Sekundenschnell drückte er ihre Kehle erneut so fest zu, dass sie verzweifelt nach Luft schnappte.
„Ich.. werde... ihn... nie... wieder... schlagen!“ Groß starrten ihre Katzenaugen ihn an.
„Schwöre es!“ Noch immer die Hand an ihrer Kehle, hob er ihr Kinn, dass sie ihm in die Augen blicken musste.
„Ich schwöre es!“
„Und nun wirst du dich bei Sam entschuldigen!“ Ein weiteres Mal hob er ihren Kopf und drückte gegen ihren schlanken Hals.
„Entschuldige!“ Widerwillig blickte sie zu dem kleinen Kind, das seinen abscheulichen Hund im Arm hielt, der einen ihrer kostbaren Schuhe zerbissen hatte.
Zeitlupenhaft löste Nils die Hand und atmete tief durch. Vor dieser Wut hatte er Angst gehabt! Diese Wut, die ihn zum Mörder machen würde! Knapp war er davor gewesen, zuzudrücken und seine Hand erst wieder zu lösen, wenn kein Leben mehr in ihr war. Wenn Sam ihn nicht gerufen hätte, wäre Marie-Luise tot! Und er ein Mörder! Mit hängenden Schultern lehnte Nils an der Wand, hatte verzweifelt die Augen geschlossen.
Angeekelt wischte Marie-Luise über ihr Kleid, wie wenn sie den Dreck abschütteln wollte, den Nils darauf hinterlassen hatte.
Ohne einen weiteren Blick in die Richtung ihres Sohnes zu verschwenden stolzierte sie aus dem Zimmer.
„Papi! Sie wollte Mickey ins Tierheim bringen! Nur weil er ihren Schuh zernagt hat!“
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