Engel der Kindheit
fliegen, um die rechtlichen Sachen abzuklären, aber ich komme wieder! Als Pfand lasse ich Sam hier!“ Unsagbare Zufriedenheit breitete sich in Nils aus, er fühlte sich, wie wenn er endlich, nach einer langjährigen Reise, angekommen war. Einträchtig spielten seine beiden Kinder miteinander im Sandkasten, als ob sie sich schon immer kennen würden.
„Weißt du was? Ich werde Lena im Krankenhaus ablösen! Dann habt ihr Zeit in Ruhe miteinander zu sprechen!“ Wissend sah Sonja das erfreute Blitzen in seinen Augen.
Gleich ging sie zu Nele und erklärte ihr, was sie vorhatte, doch Nele interessierte sich nicht dafür. Froh war sie einfach nur, einen Spielkameraden gefunden zu haben.
Aufgewühlt setzte Nils sich an den Esstisch, er konnte die beiden Kinder beobachten und aß sein Brot, dazu trank er ein kühles Bier. Seine Gedanken drehten sich um sein ganzes, vergangenes Leben, seine drei Kinder und um Lena, die einzige Frau, mit der er sein zukünftiges Leben verbringen wollte.
Über die Terrasse sah er Lena in ihrer vollkommenen Anmut auf sich zukommen. Fasziniert stand er auf, breitete die Arme aus, scheinbar schwerelos lief sie ihm entgegen und warf sich in seine Arme, leidenschaftlich zog er sie an seinen Körper und küsste sie verzehrend.
Aufgewühlt schmiegte Lena sich in seine Arme, überdeutlich spürte er ihre schmale, beinahe ausgezehrte Zerbrechlichkeit.
„Ich habe dich so sehr vermisst!“ Erleichtert legte Lena den Kopf an seine Schulter, er fuhr über ihren Rücken und spürte ihr derbes Haar an seinem Handrücken.
„Ich dich auch! Als du angerufen hast, dachte ich, du wärst gestorben! Ich dachte, deine Mutter wäre am Telefon um mir zu sagen, dass du bei einem Asthmaanfall ums Leben gekommen bist! Jetzt halte ich dich in den Armen und habe zwei Kinder von denen ich keine Ahnung hatte! Warum hast du mir nie etwas davon gesagt?“ Leicht vorwurfsvoll klang seine Stimme, er setzte sich auf den Stuhl mit der hohen Lehne und zog Lena auf seinen Schoß.
„Bis du in Australien angekommen warst, konnte ich dir keine Nachricht zukommen lassen. Dann hattest du eine Arbeit gefunden und du konntest studieren, alles was du dir immer gewünscht hast! Wenn ich dir geschrieben hätte, dass ich ein Kind von dir erwarte, wärst du sofort zurückgekommen, nur um mir immer in Gedanken den Vorwurf zu machen, dass du nicht das Leben verwirklichen konntest, dass du dir gewünscht hast. Wieder wärst du hier gefangen gewesen. Dann, als du mir geschrieben hast, dass Marie-Luise ein Kind von dir erwartet, war es zu spät! Hätte ich schreiben sollen, dass ich die älteren Rechte hatte? Wie hättest du reagiert? Hättest du wegen uns Sam im Stich gelassen? Hätte ich es dir sagen sollen, als du für die eine Nacht hier warst? Du musstest zu Sam zurück, ich hätte dich in einen Zwiespalt der Gefühle gestürzt. Und jetzt, jetzt kämpft Babs um ihr Leben. Ich hatte keine andere Wahl mehr!“ Ehrlich und frei heraus sah sie ihn an. „Nils, ich habe solche Angst um sie! Ich liebe sie so sehr! Sie ist mir so ähnlich! Warum kann nicht ich an ihrer Stelle liegen? Warum muss es unsere unschuldige Tochter sein? Warum? Der Arzt sagt, wenn kein Spender gefunden wird, stirbt sie. Sie ist zu schnell zu schwach geworden, der Krebs frisst sie auf!“ Verzagt lag sie an seiner Schulter, hörte Nils beruhigenden Herzschlag in seiner Brust, es war schön zu wissen, dass er bei ihr war.
„Lena, wir dürfen nicht aufgeben, wir müssen kämpfen! Babs möchte mit uns als Familie zusammenleben! Sie hat ein neues Ziel! Sie wird kämpfen!“ Überzeugend sprach er zu ihr, drehte ihr Kinn zu sich. Zart fuhr er ihr über das weiche, jetzt spitze Gesicht, dem man die Sorgen der letzten Woche ansah. „Kann es sein, dass sie einen Vater vermisst hat?“
„Ja, sie hat sich immer gewünscht, dass du zu uns kommst. Seit Nele auf der Welt war, hat sie sich ständig gefragt, warum ihr Papa nicht bei uns wohnt!“ Erleichtert, die Last nicht mehr alleine tragen zu müssen, hob Lena den Kopf, sah in die geliebten Augen, die so dicht bei ihr waren.
„Lena, ich habe noch nicht alle Hürden genommen!“, brach es aus Nils heraus. „Ich habe brisante Papiere dabei! Papiere, von deren Existenz weder Marie-Luise noch Samuel begeistert sein dürften. Ich werde sie hier bei einem Notar hinterlegen, für den Fall, dass mir etwas zustößt.“ Mit offenen Karten musste er spielen, auch wenn er Lena damit erschrecken würde.
Bis ins Mark
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