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Engel der Kindheit

Engel der Kindheit

Titel: Engel der Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skyla Hegelund
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immer wieder, hallte in ihm nach, wie ein Echo, dem er irgendwann Folge leisten würde.
    An morsches, brechendes Holz erinnernd, hörte Nils das Krachen seiner Rippe, er spürte nicht den Schmerz an seinem Körper, sondern nur den brennenden Schmerz in seiner Seele.
    Wiederholt trafen ihn die Prügel in den Magen, in seine Eingeweide. „Wehr dich endlich, du Schlappschwanz, du Waschlappen, tret’ mir einmal entgegen und steh auf, sei einmal in deinem Leben ein Mann! Du Meme, du Muttersöhnchen, schlag zurück, du, du, du ... .“ Zitternd brach Nils Vater zusammen, hielt die Hand auf seine fette Brust und lag atemringend auf dem Boden.
    Mitleidlos ergriff Nils die Gelegenheit und wankte haltsuchend, mit schleppenden Schritten, zur Hintertür.
    „Vater ist zusammengebrochen!“ Unter Schmerzen brachte er die Worte über seine Lippen, sagte sie zu seiner Mutter, die weinend, die Hände über die Ohren gehalten, in der alten Küche stand.
    Lahm schritt Nils über den Rasen, öffnete, wie aberhundert Mal zuvor die knarrende Türe des Schuppens und zog sie hinter sich zu. Stöhnend lehnte er sich gegen die raue, ungehobelte Holzwand. Seit langem schob er nichts mehr unter den Hebel der Türe, damit Lena zu ihm kommen konnte, wenn ihre Eltern es nicht merken würden. Jedes Mal kam sie! Stets war sie in seiner Nähe, wenn er sie brauchte. Sie allein gab ihm die Liebe, die er von seinem Elternhaus nie zu spüren bekommen hatte und doch liebte er sie, wie ein Mann eine Frau nur lieben konnte.
    Kein einziges Mal hatte sein Vater versucht ihn hier, aus dem zerfallenden Schuppen, herauszuholen.
    Bedächtig schleppte er sich weiter zu der Matratze, die Lena mit einem weißen Leintuch überzogen hatte. Ein altes Kissen und eine alte Daunendecke hatte sie ebenfalls mit einem Überzug versehen. In einem kleinen Schränkchen, das sie vom Sperrmüll hergetragen hatte, hatte sie Verbandsmaterial, Salben, Schmerztabletten und Desinfektionsmittel, Kekse, Schokolade und Mineralwasser einsortiert.
    Ausgelaugt, am Ende seiner seelischen Kräfte, ließ Nils sich auf der Matratze nieder und wartete, bis er die leichten Schritte Lenas hörte.
    Glücklich betrat Lena das Haus und hörte augenblicklich das markerschütternde Brüllen aus dem Nebenhaus. Butterweich wurden ihre zitternden Knie, überfallartig stieg würgende Übelkeit in ihr hoch. Haltsuchend musste sie sich am Türrahmen festhalten, um nicht die Balance zu verlieren.
    „Lena, was ist mit dir? Ist dir nicht gut?“ Pünktlich trug ihre Mutter das Abendessen auf die Terrasse.
    „Alles in Ordnung! Mir macht vielleicht nur der Wetterumschwung zu schaffen!“ Gestern hatte es geregnet, war kalt und ungemütlich gewesen, heute schien strahlend die Sonne von einem wolkenlosen Himmel.
    „Leg dich doch ein bisschen hin! Das Essen ist in zehn Minuten fertig!“ Sorgenvoll strich Sonja ihrer Tochter über die blasse Wange.
    „Mama, sei mir nicht böse, ich nehme etwas mit auf mein Zimmer und lege mich ins Bett! Mir ist es doch nicht so gut! Du musst nicht mehr nach mir sehen, ich werde gleich einschlafen, sonst melde ich mich!“ So gut es ging, versuchte sie ihr Zittern zu verbergen, nahm einen Teller aus dem Küchenschrank, tat vier Scheiben Brot, heimlich Wurst, die sie selbst nicht aß aber Nils schmeckte, und Käse, Radieschen, Gurke und Paprikastreifen darauf und schritt wankend zu ihrer Zimmertüre. Leise drehte sie den Schlüssel im Schloss, spähte aus ihrer Terrassentüre, die nur auf die kleinere Terrasse hinter dem Haus führte und lief, als sie niemanden sah, über die Wiesen zu dem Schuppen. Kurz nach Nils trat sie durch die morsche Holztür, den Teller hatte sie fest in ihrer Hand.
    „Nils!“ Blind gelangte sie im Dunkeln zu der hinteren Ecke, stellte den Teller auf das kleine Schränkchen und legte sich neben ihn, streichelte sein erstarrtes Gesicht. „Lass mich deine Wunden sehen!“
    Stumm, verneinend schüttelte Nils den Kopf. „Ich möchte nicht mehr! Ich möchte nicht von dir verarztet werden! Lena ich möchte dich nur neben mir spüren! Bitte komm zu mir!“ Leise, nahezu unverständlich flüstere er die Worte, die in ihm brannten. Nur einen kleinen Teil davon hatte er ausgesprochen. Wie gerne hätte er ihr gesagt, dass er nur noch das mit ihr tun wollte, was jeder Mann mit einer geliebten Frau machte.
    Behutsam legte Lena sich auf seinen ausgestreckten Arm, den Kopf bettete sie an seiner Schulter, achtete darauf, dass er nicht unter Schmerzen

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