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Engel der Kindheit

Engel der Kindheit

Titel: Engel der Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skyla Hegelund
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Blick.
    „Gut, versuchen wir es miteinander! Du wirst unten anfangen und dich nach und nach hocharbeiten müssen, das heißt, du wirst die nächsten vier Wochen Kartoffeln schälen, Schiffsplanken bürsten und den anderen Matrosen zur Hand gehen, wo Not am Mann ist!“ Tom erhob sich, Nils sprang auf seine Beine, nahm Haltung an. Wie zuvor Sven, schlug er die Haken zusammen und stach an seiner runden Mütze ab.
    „Es ist in Ordnung!“ Mit einem kurzen Kopfnicken entließ Tom ihn.
    Bis zum Abend schrubbte Nils das Deck. Um zehn fiel er todmüde auf seine ihm zugewiesene Pritsche, die hart und schmal kaum Platz genug bot, sich umzudrehen.
    Laut schnarchten John und Mikele in den obersten Pritschen, Sven und er lagen in den mittleren, unter ihnen befanden sich Garrit und Walter, mit denen Nils bis auf ein paar vereinzelte Worte noch nicht gesprochen hatte. Das Schiff lag vor Anker, da die Radaranlage nicht für die Nachtfahrt geeignet war. Beruhigend schwankte es, von den leichten Wellen getragen.
    Kurz wanderten Nils Gedanken zu Lena, bevor ihm vor Müdigkeit die Augen zufielen.

6. Kapitel    
    Schluchzend, von Tränen geschüttelt, stand Lena am Kai, unfähig sich zu bewegen. Das Gesicht hatte sie in ihren Händen geborgen, schon lange Zeit sah sie das große Segelschiff nicht mehr, das Nils mit sich genommen hatte. Wie sollte sie ihr Leben nur ohne Nils verbringen, der bisher all ihre Gedanken ausgefüllt hatte?
    Er war ihr einziger Vertrauter gewesen, mit ihm hatte sie über alles sprechen können, er hatte sie verstanden wie niemand sonst auf der Welt. Heute Nacht hatte er sie zu seiner Frau gemacht, das bedeutete für Lena Liebe und Treue bis an ihr Lebensende.
    Zu gut verstand sie Nils, weshalb er von hier fort musste. Viele Male hatte sie gedacht, was passieren würde, wenn er seinen Vater umbringen würde. Oft hatte sie diesen Hass, der ihn dazu treiben könnte, in ihm gespürt. Daran wäre er zu Grunde gegangen!
    Traurig setzte sie steif einen Fuß vor den anderen, schob Nils altes Fahrrad neben sich her, achtete nicht auf die Blicke der Werftarbeiter, die sie in ihrem langen Abendkleid, das vom Wind aufgebauscht wurde, kopfschüttelnd betrachteten. Hell blitzten ihre spitzen, weißen Pumps bei jedem ihrer Schritte über den dreckigen schwarzen Asphalt.
    Weiße Wolken schoben sich an dem bisher klaren Himmel zusammen, bildeten verschieden Formen und Figuren über ihrem Kopf. Doch Lena sah in allen Wolken nur Nils Lächeln, sein geliebtes Gesicht. Der Wind flüsterte ihr seine Liebesworte ins Ohr, mit denen er sie heute Nacht liebkost hatte.
    Schwerfällig bewegte sie ihren Körper in die Richtung ihres Zuhauses. Schleppend legte sie die Strecke zurück, die sie mühelos auf Nils Fahrrad hätte fahren können, aber sie schob die Zeit vor sich her, bis sie daheim eintreffen würde und unweigerlich ihren Schuppen sehen würde, in dem sie sich so zärtlich geliebt hatten.
    Die Sonne stand hoch hinter den weißen, gebauschten Wolken, es musste um Mittag sein, als Lena über das Grundstück ihrer Eltern zum Schuppen schritt und das letzte Mal die knarrende Holztür öffnete. Brennend schmerzten ihre Füße, sie hatte sich sicherlich Blasen gelaufen in ihren neuen, hohen Schuhen, aber die Schmerzen waren nichts im Vergleich zu den Schmerzen in ihrem Herzen.
    Diesmal ließ sie die Türe geöffnet, niemand folgte ihr, kein Nils, der sich versteckte. Ungehindert liefen die Tränen über ihr Gesicht. Sacht lehnte sie Nils’ Fahrrad an die Wand des Schuppens, holte den Blumenstrauß, den sie von ihm geschenkt bekommen hatte, aus ihrem gemeinsamen Versteck, strich sacht über die Matratzen auf der Nils sie noch vor ein paar Stunden im Arm gehalten hatte und schloss fest die Türe hinter sich, als sie aus dem dunklen Schuppen in die Sonne trat. Niemals wieder würde Nils hier Zuflucht suchen müssen! Endlich war er in Sicherheit! Seinen Kindheitsträumen war er gefolgt!
    Zögernd lief sie über die ungemähte Wiese, über die sie früher in flinken Schritten gesprungen war, öffnete das knarrende kleine Gartentor, unter dem noch immer ein Maulwurfshügel herausragte, berührte lautlos den gemähten Rasen mit ihren eleganten weißen Schuhen und sah ihre Mutter auf der Terrasse stehen.
    „Lena? Was ist dir geschehen? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!“ Deutlich spiegelte Besorgnis sich in ihrem Gesicht. „Ich habe zwar deine SMS bekommen, dass du über Nacht fortbleiben wirst, aber schau mal auf die

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