Engel der Kindheit
sich ein Brot mit Nussnougatcreme und setzte sich auf einen Terrassenstuhl ins Freie. Über ihr glitzerten und funkelten tausend und abertausend Sterne. Zwischen ihren unendlichen Weiten schimmerten die verschleierten Schwaden der Milchstraßen.
Urplötzlich, aus dem Nichts, kreuzte ein hellerleuchteter Komet mit einem langen glühenden Schweif ihren Blick, steil zum Firmament empor, so strahlend und leuchtend, wie sie nie zuvor etwas Vergleichbares gesehen hatte.
Tief in ihrer Seele wünschte sie sich ein gemeinsames Leben mit Nils, nur dieser eine Wunsch brannte in ihrem wehen Herzen.
Morgens um fünf Uhr wurden sie lautstark aus ihren Kojen gerissen. Durch die Lautsprecher hallte das Kommando in die Kojen. Sofort sprangen alle aus ihren Betten, schlüpften in ihre Uniformen und trafen an Deck zum Antreten zusammen.
Käpt’n Rodney, dessen Gesicht an das Gesicht eines Adlers erinnerte, schritt vor der strammstehenden Mannschaft vorüber, gab seine Befehle kurz und bündig an seine Offiziere weiter, die für den reibungslosen Ablauf an Bord verantwortlich waren. Heute würden sie Kurs auf Rotterdam nehmen. Gegen Abend würden sie im Hafen vor Anker gehen, ihre Waren löschen und neue Waren aufnehmen.
Wie angekündigt wurde Nils zum Kartoffelschälen eingeteilt. Zum Segelsetzen wurde jeder Mann benötigt. Fest fassten die kräftigen Hände der Matrosen nach den groben Tauen, mit denen sie die Segel über die Winden an den Masten nach oben zogen. Mit fünf gesetzten Segeln fuhr das Segelschiff im Wind.
Der Himmel hatte sich eingetrübt, eine tiefhängende Wolkenschicht, die die Sicht auf das offene weite Meer nahm, und feuchte Luft in sich trug, umhüllte die Santa Barbara wie ein Geisterschiff.
Vertraut, wie wenn sie sich jahrelang kennen würden, saßen Nils und Sven auf den schmalen dreibeinigen Hockern, die Eimer zwischen die Beine geklemmt und schälten Kartoffeln, während sie sich angeregt unterhielten.
„Ich werde in Australien bleiben! Dort werde ich versuchen beim Schiffsbau unterzukommen. Hier hätte ich im Oktober mit einem Studium als Ingenieur für Schiffsbau angefangen, aber...“ Bedauernd zuckte Nils mit den Schultern. War es richtig gewesen, wie er sich entschieden hatte? Hätte er sich nicht lieber nach einer eigenen Wohnung umsehen sollen? Dann wäre Lena in seiner Nähe gewesen! Mehr, als er je vermutet hatte, vermisste er sie und sehnte sich nach ihren weichen Armen.
„Vielleicht bleibst du ja auch auf dem Schiff! Ich wollte mich auch irgendwo in der Welt niederlassen, aber ich komm’ von der Santa Barbara nicht los! Außerdem habe ich keinen Schulabschluss, was soll da aus mir werden?“ Eigentlich war es Sven gleichgültig, wo er sich befand, Hauptsache er musste nie wieder zurück!
Am Abend erreichten sie wie geplant Rotterdam. Aus dem Bauch des Schiffes wurde die Ladung mit Kränen gelöscht, Stapler nahmen die Paletten entgegen, neue Ladung wurde angeliefert, die sie auf ihrem Weg nach Frankreich im Hafen von Le Havre abladen mussten. Um zehn Uhr bekamen sie die Erlaubnis zum Landgang.
Die begehrlichen Blicke der leichtbekleideten Damen, die sich in Hafennähe aufhielten, ignorierten Nils und Sven und schlenderten am Pier entlang, bestaunten den riesigen Hafen, der größer noch als Hamburg war und eine Vielzahl von Containerschiffen beherbergte.
Gegen Mitternacht trafen sie auf ihrem Windjammer ein und warfen sich auf ihre Pritschen.
Laut grölend kamen ihre Mitschläfer in den frühen Morgenstunden nach Hause, protzen mit ihrer Potenz, mit der sie vier Frauen auf einmal beglückt hätten.
„Na ihr Langweiler, was seid ihr für Seeleute, wenn ihr besser in euren Pantoffeln Zuhause aufgehoben wärt?“ Herausfordernd zupfte Mikele an Nils T-Shirt, das er zum Schlafen anhatte. Die Luft hier unten war mit so wenig Sauerstoff gefüllt, dass er beinahe keine Luft bekam.
„Lass mich, schlaf deinen Rausch aus!“ Verschlafen und gelangweilt gab sich Nils, obwohl sein Herz raste bei Mikeles Worten. Wie von seinem Vater, so wurde er auch von ihm als halbwertiger Mann bezeichnet. Jahrelang hatte er diese Demütigungen über sich ergehen lassen müssen, er wollte nicht vom Regen in die Traufe kommen!
„Ihr Weicheier!“ Johlend trat Mikele auf Nils Matratze, unabsichtlich, oder mit voller Absicht, auf Nils Arm und hangelte sich in seine Koje. Nils Arm schmerzte, er hatte das volle Gewicht von Mikele getragen. Warum nur empfanden manche Menschen Befriedigung dabei, andere zu
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