Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel Der Nacht

Engel Der Nacht

Titel: Engel Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becca Fitzpatrick
Vom Netzwerk:
Seine Narben waren vollkommen sichtbar, das Kerzenlicht ließ unheimliche Schatten auf ihrer Oberfläche tanzen. Seine Rückenmuskeln hoben sich, dann entspannten sie sich wieder.
    »Bitte schön«, sagte er ruhig. »Behalte im Gedächtnis, dass Leute sich ändern, aber ihre Vergangenheit nicht.«
    Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, dass ich dies
wirklich wollte. Patch jagte mir auf fast allen Ebenen schreckliche Angst ein. Aber ganz tief drinnen glaubte ich nicht, dass er mich ermorden würde. Wenn es das wäre, was er wollte, dann hätte er es längst getan. Ich sah auf seine grauenvollen Narben. Patch zu vertrauen schien so viel angenehmer, als wieder in seine Vergangenheit einzutauchen und keine Ahnung zu haben, was ich dort vorfinden würde.
    Aber wenn ich jetzt einen Rückzieher machte, würde Patch wissen, dass ich Angst vor ihm hatte. Er öffnete eine der geschlossenen Türen nur für mich und nur, weil ich darum gebeten hatte. Ich konnte keine so schwerwiegende Bitte aussprechen und dann meine Meinung ändern.
    »Ich werde nicht für immer darin eingeschlossen bleiben, oder?«, fragte ich.
    Patch lachte kurz auf. »Nein.«
    Ich nahm all meinen Mut zusammen und setzte mich neben ihn aufs Bett. Zum zweiten Mal heute Nacht berührten meine Finger den gewölbten Rand seiner Narbe. Ein nebliges Grau schränkte meine Sicht ein, von außen nach innen. Das Licht ging aus.

VIERUNDZWANZIG
    I ch lag auf dem Rücken, meine Camisole nahm die Feuchtigkeit unter mir auf, und Grashalme piekten in die nackte Haut meiner Arme. Der Mond über mir war nicht mehr als eine Sichel, ein seitwärts gekipptes Grinsen. Abgesehen von entferntem Donnergrollen war es still.
    Ich zwinkerte mehrere Male hintereinander, damit meine Augen sich schnell an das spärliche Licht gewöhnten. Als ich meinen Kopf zur Seite rollte, wurde mein Blick gefangen genommen von einem symmetrischen Arrangement aus Zweigen, das aus dem Gras heraus stach. Ganz langsam setzte ich mich auf. Ich konnte den Blick nicht von den beiden schwarzen Kreisen losreißen, die mich direkt aus dem Muster gebogener Zweige heraus anzustarren schienen. Mein Verstand arbeitete daran, das bekannte Bild einzuordnen. Und dann, in einem schrecklichen Blitz des Wiedererkennens, wusste ich es: Ich lag neben einem menschlichen Skelett.
    Fieberhaft kroch ich rückwärts, bis ich an einen Eisenzaun stieß. Ich dachte über den wirren Moment hinaus und fing meine letzte Erinnerung auf. Ich hatte Patchs Narben berührt. Wo auch immer ich sein mochte, es war irgendwo in seiner Vergangenheit.
    Eine Stimme, männlich und vage bekannt, kam aus der Dunkelheit, sie sang eine tiefe Melodie. Als ich in die Richtung schaute, sah ich ein Labyrinth aus Grabsteinen, die sich wie Dominosteine in den Nebel hinein erstreckten. Patch
hockte auf einem davon. Er hatte nur Levi’s und ein blaues T-Shirt an, obwohl die Nacht kühl war.
    »Im Mondschein mit den Toten?«, rief die bekannte Stimme. Sie war rau, voll und irisch. Rixon. Er lehnte sich gegen einen Grabstein Patch gegenüber und beobachtete ihn. Nachdenklich strich er mit dem Daumen über seine Unterlippe. »Lass mich raten. Du planst, einen der Toten zu besetzen? Na, ich weiß nicht«, sagte er kopfschüttelnd. »Würmer, die in deinen Augenhöhlen herumkriechen … und in deinen anderen Körperöffnungen … das treibt die Sache doch ein bisschen zu weit.«
    »Deshalb habe ich dich bei mir, Rixon. Du siehst immer alles von der heiteren Seite.«
    »Cheschwan beginnt heute Nacht«, sagte Rixon. »Was hängst du jetzt auf einem Friedhof herum?«
    »Ich denke nach.«
    »Denken?«
    »Ein Vorgang, bei dem ich meinen Verstand dazu einsetze, eine vernünftige Entscheidung zu treffen.«
    Rixons Mundwinkel verzogen sich nach unten. »Ich fange an, mir Sorgen um dich zu machen. Komm schon, Zeit zu gehen. Chauncey Langeais und Barnabas warten. Der Mond wendet sich um Mitternacht. Wenn ich ehrlich bin, ich habe ein Auge auf eine gewisse Betty in der Stadt geworfen.« Er schnurrte wie eine Katze. »Ich weiß, du magst sie rothaarig; mir sind sie blond lieber, und sobald es mir gelingt, einen Körper zu bekommen, werde ich meinen Flirt mit der Blonden von vorhin zu Ende bringen.«
    Als Patch sich nicht rührte, sagte Rixon: »Bist du übergeschnappt? Wir müssen los. Chaunceys Treueschwur. Klingelt’s allmählich? Wie wäre es dann hiermit: Du bist ein gefallener Engel und kannst nichts fühlen. Bis heute zumindest. Die nächsten zwei Wochen sind

Weitere Kostenlose Bücher