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Engel Der Nacht

Engel Der Nacht

Titel: Engel Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becca Fitzpatrick
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entfernte er die Enden der Drähte und hielt sie aneinander. Der Motor startete, und Patch sah zu mir hinüber. »Sicherheitsgurt.«
    »Ich stehle kein Auto.«
    Er zuckte die Schultern. »Wir brauchen es jetzt. Die anderen nicht.«
    »Das ist Diebstahl . Es ist falsch.«
    Patch sah nicht im Geringsten besorgt aus. Eigentlich kam
es mir sogar so vor, als fühlte er sich ein bisschen zu wohl da auf dem Fahrersitz. Das macht er nicht zum ersten Mal , dachte ich.
    »Regel Nummer eins beim Autodiebstahl«, sagte er grinsend. »Versuche, nicht länger als nötig am Schauplatz des Verbrechens zu verweilen.«
    »Warte mal kurz«, sagte ich mit erhobenem Zeigefinger.
    Ich lief zurück zum Kino. Auf dem Weg hinein reflektierten die Glastüren den Parkplatz hinter mir, und ich sah, wie Patch sich aus dem Coupé schwang.
    »Hi, Brandt«, sagte ich zu dem Jungen, der immer noch Popcorn auf eine langstielige Schaufel kehrte.
    Brandt sah zu mir auf, doch seine Aufmerksamkeit verlagerte sich schnell auf etwas oder jemanden hinter mir. Ich hörte, wie sich die Kinotür öffnete, und spürte eine Bewegung im Rücken. Patchs Annäherung unterschied sich nicht allzu sehr von einer Wolke, die die Sonne verdeckte, fast unmerklich die Landschaft verdunkelte und einen Sturm ankündigte.
    »Wie geht’s?«, sagte Brandt unsicher.
    »Ich habe Probleme mit meinem Auto«, sagte ich, biss mir auf die Lippe und versuchte es mit einem mitleidheischenden Gesicht. »Ich weiß, ich bring dich in eine unangenehme Situation, aber schließlich habe ich dir letztes Jahr auch mit dem Shakespeare-Referat geholfen …«
    »Du willst meinen Wagen ausleihen.«
    »Doch … ja.«
    »Es ist eine Rostkarre. Kein Jeep Commander.« Er sah Patch direkt an, als wollte er sich entschuldigen.
    »Fährt es?«, fragte ich.
    »Wenn du damit meinst, ob die Räder rollen, ja, es fährt. Aber es steht nicht zum Verleih.«
    Patch öffnete seine Brieftasche und reichte ihm etwas, was
aussah wie drei druckfrische Hundert-Dollar-Scheine. Ich zügelte meine Überraschung; vermutlich war es am besten, wenn ich mitspielte.
    »Ich habe meine Meinung geändert«, sagte Brandt mit weit aufgerissenen Augen und steckte das Geld ein. Er kramte in seinen Taschen und warf Patch einen Schlüsselbund zu.
    »Welche Marke und welche Farbe?«, fragte Patch und fing die Schlüssel auf.
    »Schwer zu sagen. Halb Volkswagen, halb Chevette. War mal blau. Bevor es zu Orange verrostet ist. Tankst du ihn voll, bevor du ihn zurückbringst?«, sagte Brandt und klang, als würde er hinter seinem Rücken die Finger kreuzen und auf sein Glück vertrauen.
    Patch zog noch einen Zwanziger hervor. »Nur für den Fall, dass wir es vergessen«, sagte er und stopfte den Schein vorne in Brandts Uniform.
    Draußen sagte ich zu Patch: »Ich hätte ihn überreden können, mir die Schlüssel zu geben. Ich hätte nur ein bisschen mehr Zeit gebraucht. Und warum arbeitest du übrigens in der Kneipe, wenn du so reich bist?«
    »Bin ich nicht. Ich hab das Geld vor ein paar Nächten beim Billard gewonnen.«
    Er schob Brandts Schlüssel ins Schloss, stieg ein und öffnete mir die Beifahrertür. »Die Bank ist offiziell geschlossen.«
    Patch fuhr auf dunklen, stillen Straßen durch die Stadt. Es dauerte nicht lange, bis wir die Highschool erreichten. Er hielt an der Ostseite des Gebäudes und stellte den Motor ab. Das Schulgelände war waldig, und die knorrigen Äste der Bäume waren kahl bis auf einzelne Nebelfetzen zwischen den Zweigen. Dahinter ragte die Coldwater High auf.
    Der ursprüngliche Teil des Gebäudes war im späten neunzehnten
Jahrhundert erbaut worden, und nach Sonnenuntergang wirkte er wie eine Kathedrale. Grau, angefüllt mit düsteren Vorahnungen. Sehr dunkel. Sehr verlassen.
    »Ich habe ein wirklich schlechtes Gefühl bei der Sache«, sagte ich mit einem Blick auf die schwarzen Löcher, die die Fenster der Schule bildeten.
    »Bleib im Auto, und lass dich nicht blicken«, sagte Patch und gab mir die Schlüssel, während er ausstieg. »Wenn irgendjemand aus dem Gebäude kommt, fährst du weg.« Er trug ein enges schwarzes T-Shirt mit rundem Ausschnitt, dunkle Levi’s und Stiefel. Mit seinen schwarzen Haaren und seiner dunklen Haut war es schwierig, ihn vom Hintergrund zu unterscheiden. Er überquerte die Straße und verschmolz im selben Moment vollkommen mit der Nacht.

ACHTUNDZWANZIG
    F ünf Minuten verstrichen, zehn Minuten wurden zu zwanzig. Ich kämpfte, um das haarsträubende Gefühl zu ignorieren, dass

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