Engel Der Nacht
heraus - Salsa, Käse, Salat, eine Tomate. Dann durchwühlte er die Schubladen und fand ein Messer.
Beim Anblick von Patch mit dem Messer in der Hand war ich vermutlich gerade auf direktem Wege, eine Panikattacke zu bekommen, als etwas anderes meine Aufmerksamkeit erregte. Ich machte zwei Schritte nach vorn und blinzelte mein Spiegelbild in einer der an Haken hängenden Bratpfannen an. Meine Haare! Ich sah aus wie die Steppenhexe persönlich. Ich schlug die Hand vor den Mund.
Patch lächelte. »Ist das naturrotes Haar?«
Ich starrte ihn an. »Meine Haare sind nicht rot.«
»Es tut mir wirklich leid, dir das sagen zu müssen, aber es ist eindeutig rot. Ich könnte es in Brand setzen, und es würde nicht röter.«
»Es ist braun.« Also, vielleicht hatte ich eine winzige Spur Kastanie in meiner Haarfarbe. Aber ich war immer noch brünett. »Das liegt am Licht«, sagte ich.
»Ja, vielleicht liegt es an den Glühbirnen.« Beim Lächeln hoben sich seine beiden Mundwinkel, und ein Grübchen erschien.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte ich und verließ fluchtartig die Küche.
Ich ging die Treppe hinauf und zwang meine Haare in einen Pferdeschwanz. Als das erledigt war, fing ich an nachzudenken. Der Gedanke, dass Patch frei in meinem Haus herumlief - mit einem Messer bewaffnet -, war mir nicht wirklich angenehm. Und meine Mutter würde mich umbringen, wenn sie herausfand, dass ich Patch hereingelassen hatte, als Dorothea nicht da war.
»Können wir das verschieben?«, fragte ich, als ich ihn zwei Minuten später immer noch hart arbeitend in der Küche vorfand. Ich hielt mir den Magen, um ihn wissen zu lassen, dass mir nicht gut war. »Übelkeit«, sagte ich. »Vielleicht kommt es vom Motorradfahren.«
Er hielt inne und sah hoch. »Ich bin fast fertig.«
Mir fiel auf, dass er das Messer gegen ein größeres - und schärferes - eingetauscht hatte.
Als könnte er meine Gedanken lesen, hielt er das Messer hoch und musterte es. Die Schneide blitzte im Licht auf. Mein Magen verkrampfte sich.
»Nimm das Messer runter«, wies ich ihn ruhig an.
Patch sah von dem Messer auf und wieder nach unten. Einen Moment später legte er das Messer vor sich hin. »Ich tu dir nichts, Nora.«
»Das ist … beruhigend«, brachte ich heraus, aber meine Kehle war eng und trocken.
Er drehte das Messer herum, sodass der Griff auf mich zeigte. »Komm her. Ich zeig dir, wie man Tacos macht.«
Ich rührte mich nicht. Da war ein Flackern in seinen Augen, das mir sagte, dass ich Angst vor ihm haben sollte … und die hatte ich. Aber diese Angst mischte sich mit Verlockung. Es war extrem irritierend, ihm so nah zu sein. In seiner Gegenwart konnte ich mir selber nicht trauen.
»Wie wäre es mit einem … Deal?« Sein Gesicht war nach unten geneigt, lag im Schatten, und er sah mich von unten her durch die Wimpern an, was einen vertrauenswürdigen Eindruck machte. »Hilf mir mit den Tacos, und ich beantworte dir ein paar deiner Fragen.«
»Meiner Fragen?«
»Ich denke, du weißt, wovon ich rede.«
Das wusste ich ganz genau. Er bot mir einen Blick in seine geheime Welt an. Eine Welt, in der er in Gedanken zu mir sprechen konnte. Und wieder wusste er genau, was er sagen musste, und das genau im richtigen Moment.
Ohne ein Wort zu sagen, stellte ich mich neben ihn. Er schob mir das Schneidebrett zu.
»Zuerst«, sagte er und stellte sich hinter mich, wobei er seine Hände auf die Tischplatte legte, genau neben meine,
»such eine Tomate aus.« Er senkte den Kopf, sodass sein Mund an meinem Ohr lag. Sein Atem war warm und kitzelte meine Haut. »Gut. Jetzt nimm das Messer.«
»Kommt der Küchenchef einem immer so nah?«, fragte ich, nicht sicher, ob mir das Flattern, das seine Nähe in mir auslöste, gefiel oder ob es mir Angst machte.
»Wenn er Küchengeheimnisse preisgibt, ja. Halt das Messer, als meintest du es ernst.«
»Das tue ich.«
»Gut.« Er trat zurück und inspizierte mich eingehend, wobei er mich anscheinend auf Mängel überprüfte - seine Augen wanderten rauf und runter, hierhin und dorthin. Einen entnervenden Augenblick lang glaubte ich, ein geheimes, beifälliges Lächeln zu sehen. »Kochen kann man niemandem beibringen«, sagte Patch. »Es ist angeboren. Entweder man kann es, oder man kann’s nicht. Wie Chemie. Bist du bereit für Chemie?«
Ich drückte das Messer in die Tomate; sie zerfiel in zwei Stücke, jede Hälfte schaukelte leicht auf dem Brett hin und her. »Sag du’s mir. Bin ich bereit für Chemie?«
Patch
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