Engel Der Nacht
bestätigt, dass Halverson und Saunders am späten Samstagabend beobachtet worden waren, wie sie zusammen auf dem Schulgelände spazieren gingen. Halversons Leiche wurde am Sonntagmorgen entdeckt, Saunders jedoch Montagnachmittag auf freien Fuß gesetzt, nachdem die ermittelnden Beamten in Halversons Wohnung eine Selbstmordnachricht gefunden hatten.
»Na, hast du was Interessantes gefunden?«
Elliots Stimme hinter mir ließ mich aufschrecken. Ich wirbelte herum und sah, wie er sich gegen den Türrahmen lehnte. Seine Augen waren nur ganz leicht zusammengekniffen, sein Mund ein Strich. Kälte durchfuhr mich, als würde ich erröten, nur genau andersherum.
Ich rollte meinen Stuhl etwas nach rechts, um mich so direkt vor den Computerbildschirm zu bringen. »Ich - mache gerade meine Hausaufgaben fertig. Und du? Was machst du? Ich habe gar nicht gehört, wie du reingekommen bist. Wie lang stehst du schon da?« Meine Stimme schwankte zu sehr.
Elliot stieß sich vom Türrahmen ab und trat ein. Ich tastete blind hinter mich, suchte nach dem An/Aus-Schalter für den Bildschirm.
»Ich versuche, Inspirationen für eine Theaterkritik zu sammeln, die ich heute Abend noch abgeben muss«, erklärte ich.
Ich redete immer noch viel zu schnell. Wo war der Schalter?
Elliot schielte an mir vorbei. »Theaterkritik?«
Meine Finger streiften einen Knopf, und ich hörte, wie der Bildschirm sich ausschaltete. »Entschuldige, was hast du noch mal gesagt, machst du hier?«
»Ich kam gerade vorbei und habe dich gesehen. Stimmt was nicht? Du kommst mir etwas … nervös vor.«
»Ach - das ist der Unterzucker.« Hastig packte ich meine Hefte und Bücher auf einen Haufen und stopfte sie in meinen Rucksack. »Ich habe seit heute Mittag nichts gegessen.«
Elliot griff sich einen Stuhl in der Nähe und rollte ihn neben mich. Er setzte sich rücklings darauf und lehnte sich herüber, so dicht, dass ich mich bedrängt fühlte.
»Vielleicht kann ich bei der Kritik helfen.«
Ich rückte von ihm ab. »Das ist echt nett von dir, aber ich geb’s fürs Erste auf. Ich muss was essen. Es ist gerade der richtige Moment für eine Pause.«
»Ich lade dich ein«, sagte er. »Gibt’s da nicht ein Lokal direkt um die Ecke?«
»Danke, aber meine Mutter wartet auf mich. Sie war die ganze Woche auf Reisen und kommt heute Abend wieder.« Ich stand auf und versuchte, um ihn herumzugehen. Er hielt mir sein Handy hin, es traf mich genau in den Bauchnabel.
»Ruf sie an.«
Ich sah auf das Handy hinunter und suchte nach einer Ausrede.
»Ich darf an Schultagen nicht abends weggehen.«
»So was nennt man lügen, Nora. Sag ihr, du brauchst länger für deine Hausaufgaben als geplant. Sag ihr, du musst noch eine Stunde in der Bibliothek bleiben. Sie wird nichts merken.«
Da war ein neuer Ton in Elliots Stimme. Seine blauen Augen funkelten plötzlich eiskalt, und sein Mund war ganz schmal geworden.
»Meine Mutter möchte nicht, dass ich mit Jungen weggehe, die sie nicht kennt«, sagte ich.
Elliot lächelte, aber ohne jede Spur von Wärme. »Wir wissen beide, dass die Regeln deiner Mutter dir ziemlich egal sind, schließlich warst du am Samstagabend mit mir im Delphic.«
Ich hatte meinen Rucksack über die Schulter geworfen und hielt den Riemen fest. Ohne ein Wort zu sagen, drängte ich mich an Elliot vorbei und lief so schnell ich konnte aus dem Labor, wobei mir plötzlich einfiel, dass er, wenn er den Bildschirm einschaltete, den Artikel sehen würde. Aber daran konnte ich jetzt auch nichts mehr ändern.
Erst auf halbem Weg zum Tisch der Bibliothekarin wagte ich einen Blick über die Schulter zurück. Die Glaswände zeigten mir einen leeren Raum. Elliot war nirgends zu sehen. Auf Zehenspitzen kehrte ich zum Computer zurück, stets auf der Hut, falls er zurückkäme. Als ich den Bildschirm anschaltete, war der Artikel über den Mordfall noch zu sehen. Ich schickte ihn zum nächstbesten Drucker und steckte den Ausdruck in meine Mappe, fuhr den Computer herunter und machte, dass ich wegkam.
ZWÖLF
M ein Handy summte in der Hosentasche, und nachdem ich sichergestellt hatte, dass mich kein Bibliothekar böse anguckte, ging ich dran. »Mom?«
»Gute Neuigkeiten«, sagte sie. »Die Auktion war früher zu Ende als gedacht. Ich konnte eine Stunde eher losfahren und bin bald zu Hause. Wo bist du?«
»Hallo! Ich hab dich nicht so früh erwartet. Komme gerade aus der Bibliothek. Wie war’s denn in Upstate New York?«
»Upstate New York war … lang.« Sie
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