Engel Der Nacht

zurzeit im Weltraum Urlaub machen. »Ich persönlich denke, du siehst jetzt schon zu viel. Mir kommt das Ganze langsam vor wie eine Hexenjagd.«
    Und da wusste ich plötzlich, was fehlte. Den ganzen Tag lang hatte mich ganz hinten in meinem Kopf etwas irritiert, aber ich war von allem anderen so überwältigt gewesen, dass ich nicht darauf geachtet hatte. Detective Basso hatte mich gefragt, ob irgendetwas fehlte. Und jetzt fiel mir ein, dass tatsächlich etwas fehlte. Ich hatte gestern Abend den Artikel über Elliot auf meine Kommode gelegt. Aber heute Morgen - und ich zog meine Erinnerung zu Rate, um auch ganz sicher zu sein - war er weg gewesen. Eindeutig verschwunden.
    »Ogottogott«, sagte ich. »Elliot ist gestern Abend bei mir eingebrochen. Er war es! Er hat den Artikel gestohlen.« Da der Artikel offen dagelegen hatte, war ganz klar, dass Elliot mein Zimmer auseinandergenommen hatte, um mir Angst einzujagen - wahrscheinlich zur Strafe dafür, dass er den Artikel überhaupt gefunden hatte.
    »Nun mal langsam, was? «, sagte Vee.
    »Was ist los?«, fragte Coach und blieb neben mir stehen.
    »Ja, was ist los?«, zwitscherte ihm Vee nach. Sie zeigte auf mich und lachte mich hinter Coachs Rücken aus.
    »Ähm - die Versuchsperson scheint keinen Puls zu haben«, sagte ich und zwickte Vee kräftig ins Handgelenk.
    Während Coach nach Vees Puls suchte, tat sie, als ob sie in Ohnmacht fiele, und fächelte sich Luft zu. Coach sah über seine Brillengläser zu mir herüber. »Hier, Nora. Schlägt
laut und stark. Sind Sie sicher, dass die Versuchsperson die ganzen fünf Minuten jegliche Aktivität eingestellt hat, einschließlich Sprechen? Der Puls ist nicht so langsam, wie ich es erwartet hätte.«
    »Die Versuchsperson hatte Schwierigkeiten mit dem Nicht-Sprechen«, fiel Vee ein. »Und die Versuchsperson hat außerdem Schwierigkeiten, sich auf einem harten Biologietisch zu entspannen. Die Versuchsperson würde vorschlagen, die Plätze zu tauschen, damit Nora die neue Versuchsperson sein kann.« Vee benutzte ihre rechte Hand, um sich an mir festzuhalten und hochzuziehen.
    »Bringt mich nicht dazu, dass ich es bereue, wenn ihr eure Partner selbst wählen dürft«, wies uns Coach zurecht.
    »Bringen Sie mich nicht dazu, dass ich es bereue, heute in die Schule gekommen zu sein«, antwortete Vee zuckersüß.
    Coach warf ihr einen warnenden Blick zu, dann hob er meinen Laborbericht hoch, wobei seine Augen über mein fast leeres Blatt Papier glitten.
    »Die Versuchsperson setzt Biologieversuche mit einer Überdosis verschreibungspflichtiger Beruhigungsmittel gleich«, sagte Vee.
    Coach blies in seine Pfeife, und plötzlich waren aller Augen im Raum auf uns gerichtet.
    »Patch?«, rief er. »Würden Sie bitte mal herkommen? Wir scheinen hier ein kleines Partnerproblem zu haben.«
    »Ich hab doch nur Spaß gemacht«, flehte Vee. »Bitte - ich mache den Versuch.«
    »Darüber hätten Sie vor einer Viertelstunde nachdenken sollen«, sagte Coach.
    »Tut mir leid«, sagte sie und klimperte engelsgleich mit ihren Wimpern.
    Coach klemmte ihr das Heft unter den gesunden Arm. »Nein.«

    » Sorry! «, mimte Vee über die Schulter zurück zu mir, während sie zögernd zum vorderen Teil des Labors ging.
    Einen Augenblick später setzte sich Patch neben mich an den Tisch. Er faltete die Hände lose zwischen den Knien und sah mich fest an.
    »Was?«, fragte ich unter dem entnervenden Gewicht seines Blicks.
    Er grinste. »Ich habe mich gerade an die Haifischpumps erinnert. Gestern Abend.«
    Ich bekam das übliche, Patch-induzierte Flattern im Magen, und wie gewöhnlich konnte ich nicht entscheiden, ob das nun gut war oder schlecht.
    »Und wie war dein Abend?«, fragte ich mit einer ausgesucht neutralen Stimme, in dem Versuch, das Eis zu brechen. Meine Spionageversuche standen immer noch unbehaglich zwischen uns.
    »Interessant. Deiner?«
    »Nicht so.«
    »Hausaufgaben waren brutal, was?«
    Er machte sich über mich lustig. »Ich habe mich nicht mit Hausaufgaben beschäftigt.«
    »Mit wem warst du denn dann beschäftigt?«
    Ich war einen Moment lang sprachlos und saß einfach nur da, mit offenem Mund. »War das eine Anspielung?«
    »Nur neugierig auf die Konkurrenz.«
    »Werd erwachsen.«
    Sein Lächeln wurde breiter.
    »Entspann dich.«
    »Coach ist sowieso schon sauer auf mich, also tu mir den Gefallen und lass uns mit dem Versuch anfangen. Mir ist nicht danach, das Versuchskaninchen zu machen, wenn es dir also nichts ausmacht …« Ich sah