Engel Der Nacht
Passiert?«, wiederholte sie, wobei sie jedes Wort betonte. »Erde an Nora. Ich brauche Einzelheiten. Ich sterbe hier vor Neugier.«
»Er wurde in eine Rauferei verwickelt, und sein Hemd ist zerrissen. Ende der Geschichte. Es gibt kein Was-ist-dannpassiert.«
Vee sog scharf die Luft ein. »Das ist es, wovon ich rede. Ihr zwei geht aus … und er wird in eine Schlägerei verwickelt? Was ist sein Problem? Mir kommt es echt so vor, als wäre er mehr Tier als Mensch.«
Im Geiste schaltete ich hin und her zwischen dem Gemälde mit den Engelsnarben und Patchs Narben. Beide waren sie in der Farbe schwarzer Lakritze geheilt, beide reichten von den Schulterblättern zu den Nieren und beide beschrieben auf ihrem Weg den Rücken hinauf eine Kurve nach außen. Ich sagte mir, dass es bestimmt nur ein unheimliches Zusammentreffen von Zufällen war, dass die Gemälde auf dem Erzengel Patchs Narben perfekt wiedergaben. Ich sagte mir, dass eine Menge Dinge Narben wie Patchs verursachen konnten. Gangprügeleien, Gefängnisnarben, Bremsspuren - genau wie Vee gesagt hatte. Unglücklicherweise hörten sich all diese Erklärungen falsch an. Es war, als ob die Wahrheit mir ins Gesicht starrte, ich aber nicht tapfer genug war, ihren Blick zu erwidern.
»War er ein Engel?«, fragte Vee.
Ich kam wieder zu mir: » Was ?«
»War er ein Engel, oder hat er sich benommen, wie es seinem Image vom bösen Jungen entspricht? Weil ich nämlich, ehrlich gesagt, diese ganze Er-hat-gar-nichts-versucht-Version der Geschichte nicht glaube.«
»Vee? Ich muss jetzt aufhören.« Meine Stimme klang, als wäre sie von Spinnweben überzogen.
»Ich seh schon. Du legst jetzt auf, bevor ich die Details der ganzen Geschichte gehört habe.«
»Nichts ist bei unserer Verabredung passiert, und hinterher auch nicht. Meine Mutter kam uns in der Einfahrt entgegen.«
»O nein!«
»Ich glaube nicht, dass sie Patch mag.«
»Was du nicht sagst!«, rief Vee aus. »Wer hätte das gedacht?«
»Ich rufe dich morgen wieder an, okay?«
»Träum süß, Kleines.«
Da habe ich so meine Zweifel , dachte ich.
Nachdem ich aufgelegt hatte, ging ich den Flur hinunter zum provisorischen Büro meiner Mutter und fuhr unseren antiken IBM hoch. Der Raum war klein mit einem spitzen Dach, eher ein Giebel als ein Zimmer. Ein schmieriges Fenster mit ausgeblichenen orangefarbenen Gardinen aus den Siebzigern blickte auf den Seitenhof hinaus. Ich konnte nur in ungefähr 30 Prozent des Zimmers aufrecht stehen, in den anderen 70 Prozent streiften meine Haare die Deckenbalken. Eine einzelne nackte Glühbirne hing von einem der Balken herab.
Zehn Minuten später hatte der Rechner eine Verbindung zum Internet hergestellt, und ich tippte ›Engelsflügelnarben‹ in die Google-Suchleiste. Ich hielt meinen Finger still über der Enter-Taste, in der Angst, dass, wenn ich weitermachte, ich mir eingestehen müsste, dass Patch - nun ja, nicht … menschlich war.
Ich drückte auf die Enter-Taste und klickte den ersten Link an, bevor ich es mir anders überlegen konnte.
GEFALLENE ENGEL. DIE BEÄNGSTIGENDE WAHRHEIT
Nach der Erschaffung des Garten Eden wurden Engel zur Erde geschickt, um über Adam und Eva zu wachen. Bald richteten aber einige von ihnen ihren Blick auf die Welt jenseits der Gartenmauer. In ihrer Gier nach Macht, Reichtum und sogar nach Menschenfrauen sahen sie sich als die künftigen Herrscher über die Weltbevölkerung.
Gemeinsam führten sie Eva in Versuchung und überzeugten sie davon, die verbotene Frucht zu essen und die Tore zu öffnen, die Eden bewachten. Als Strafe für diese schwere Sünde und dafür, dass sie ihre Pflichten vernachlässigt hatten, nahm Gott ihnen ihre Flügel und verbannte sie für immer auf die Erde.
Ich überflog ein paar Absätze, mein Herz schlug ungleichmäßig.
Gefallene Engel entsprechen den bösen Geistern (oder Dämonen), die in Bibelbeschreibungen menschliche Körper in Besitz nehmen. Gefallene Engel sind stets auf der Suche nach menschlichen Körpern, die sie belästigen und kontrollieren können. Sie führen Menschen in Versuchung, Böses zu tun, indem sie Gedanken und Bilder in deren Verstand übermitteln. Wenn ein gefallener Engel es schafft, einen Menschen zum Bösen zu verführen, kann er in den menschlichen Körper eindringen und seine oder ihre Persönlichkeit und Handlungen beeinflussen.
Allerdings kann die Inbesitznahme eines menschlichen Körpers nur während des hebräischen Monats
Cheschwan stattfinden. Cheschwan,
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