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Engel Der Nacht

Engel Der Nacht

Titel: Engel Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becca Fitzpatrick
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freundlichen Ton beizubehalten, während ich ihr die Mütze reichte.
    »Siehst du die Gasse?«, sagte sie und zeigte hinter mich. Ich drehte mich um. Die Gasse lag einen halben Block hinter mir. »Du gehst da durch, und auf der anderen Seite kommst du auf der Highsmith raus.«
    »Da?«, fragte ich ungläubig. »Am nächsten Block?«
    »Die gute Nachricht ist, du musst nicht weit laufen. Die schlechte Nachricht ist, dass es bei diesem Wetter gar nicht nah genug sein kann. Ich hab’s natürlich schön warm jetzt mit meinem Mantel und meiner hübschen Mütze. Gib mir die Handschuhe, und ich begleite dich.«
    Ich sah auf die Handschuhe hinunter. Wenigstens meine Hände waren noch warm. »Ich finde schon hin.«
    Sie zuckte die Schultern und schob ihren Wagen zur nächsten Ecke, wo sie sich gegen eine Ziegelwand lehnte.
    Die Gasse war dunkel und mit Müllcontainern, wasserfleckigen Kartons und einem unkenntlichen Hindernis übersät, das nach einem weggeworfenen Boiler aussah. Andererseits hätte es genauso gut ein Teppich mit einer darin eingerollten Leiche sein können. Ein hoher Maschendrahtzaun
war auf halbem Weg über die Gasse gespannt. Ich konnte schon an einem guten Tag kaum einen ein Meter zwanzig hohen Zaun überklettern, geschweige denn einen drei Meter hohen. Backsteingebäude schlossen mich auf beiden Seiten ein. Alle Fenster waren überstrichen und vergittert.
    Ich ging die Gasse entlang, wobei ich über Kisten und Tüten voller Müll stieg. Glasscherben knackten unter meinen Schuhen. Ein weißer Blitz schoss zwischen meinen Füßen hindurch, und ich hielt den Atem an. Eine Katze. Nur eine Katze, die in der Dunkelheit vor mir verschwand.
    Ich suchte meine Taschen ab, weil ich Vee eine SMS schicken wollte, um ihr zu sagen, dass ich in der Nähe wäre und sie nach mir Ausschau halten sollte - dann fiel mir ein, dass ich mein Handy wohl in der Manteltasche gelassen hatte. Gut gemacht, dachte ich. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Stadtstreicherin dir dein Handy wiedergibt? Um genau zu sein: Sie geht gegen null.
    Ich beschloss, es zumindest versuchen zu wollen, und gerade als ich mich umdrehte, fuhr eine schnittige Limousine an der Einfahrt zur Gasse vorbei. Plötzlich leuchteten die Bremslichter rot auf.
    Ohne zu wissen, warum, zog ich mich in den Schatten zurück.
    Eine Autotür wurde geöffnet, und knatterndes Gewehrfeuer brach los. Zwei Schüsse. Die Wagentür schlug zu, und die schwarze Limousine fuhr kreischend davon. Ich konnte mein Herz in der Brust hämmern hören, und es mischte sich mit dem Geräusch von rennenden Füßen. Erst einen Moment später merkte ich, dass es meine Füße waren und dass ich auf den Eingang der Gasse zurannte. Ich kam zur Straßenecke und blieb abrupt stehen.
    Der Körper der Obdachlosen lag in einem Haufen auf dem Gehsteig.

    Hastig fiel ich neben ihr auf die Knie. »Sind Sie in Ordnung?«, fragte ich fieberhaft und drehte sie herum. Ihr Mund stand offen, ihre Rosinenaugen waren leer. Eine dunkle Flüssigkeit sickerte durch den Mantel, den ich vor drei Minuten noch getragen hatte.
    Ich fühlte den Drang zurückzuspringen, zwang mich aber, in die Manteltaschen zu greifen. Ich musste Hilfe rufen, aber mein Handy war nicht da.
    An der Straßenecke gegenüber war eine Telefonzelle. Ich rannte hinüber und wählte den Notruf. Während ich darauf wartete, dass jemand abnahm, sah ich zurück auf die Leiche der Stadtstreicherin und fühlte kaltes Adrenalin durch meinen Körper schießen. Die Leiche war weg.
    Mit zitternder Hand legte ich auf. Das Geräusch von herannahenden Schritten drang an meine Ohren, aber ob sie nun weit entfernt oder nah waren, konnte ich nicht ausmachen.
    Tapp, tapp, tapp.
    Er ist hier, dachte ich. Der Typ mit der Skimaske .
    Ich zwängte ein paar Münzen in den Münzfernsprecher und ergriff den Hörer mit beiden Händen. Verzweifelt versuchte ich, mich an Patchs Handynummer zu erinnern. Mit zusammengekniffenen Augen bemühte ich mich, mir die sieben Zahlen vorzustellen, die er am ersten Tag, an dem wir uns getroffen hatten, mit roter Tinte auf meine Hand geschrieben hatte. Bevor ich weiter nachdenken und die Erinnerung verwischen konnte, wählte ich die Nummer.
    »Was gibt’s?«, sagte Patch.
    Ich brach fast in Tränen aus, als ich den Ton seiner Stimme hörte. Da war das Geräusch von Kugeln zu hören, die auf einem Billardtisch im Hintergrund zusammenstießen; er war in Bo’s Arcade. In einer Viertelstunde konnte er hier sein, vielleicht in

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