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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Alles Leben war bereits von ihr gewichen, lange bevor sie sich
kurz vor Mitternacht in die Werkstatt ihres Vaters schlich und nach dem ersten einer
Reihe tönerner Gefäße griff. Auf die übrigen Behältnisse, in denen der Vater Zwiebelschalen,
Krapp, gelbe Disteln, Färberwaid und schwarze Walnusshüllen aufbewahrte, verschwendete
sie keinen Blick. Wichtig war allein dieses eine Gefäß, welches sie ohne zu zögern
an die Lippen setzte und seinen Inhalt in einem Zug leerte.
    Agnes starb qualvoll, doch als sie ihr Leben
aushauchte, stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Ein Lächeln, wie man es von
dem kratzbürstigen Wildfang nicht gewohnt gewesen war.

6
     
    Badehaus im Pfäffleinsgäßchen , kurz nach Sonnen­untergang │ [17.30 h]
     
    »Heda, schönes Kind, wie wär’s mit einem gemeinsamen Bad?«, sabberte
der Dickwanst mit vollem Mund, einen Hühnerschlegel in der Hand, mit dem er auf
sein üppiges Brusthaar deutete und ihn anschließend auf das Servierbrett seines
Waschzubers warf. Als Nachtisch warteten Feigen im Teigmantel auf ihn, dazu Apfelringe,
Mandelgelee und süße Krapfen. »Oder bist du dir etwa zu schade dafür?«
    »Fragt sich, was Eure Frau dazu sagen würde!«,
konterte Melusine, stellte ihren Eimer ab und kramte eine Handvoll Duftkräuter hervor,
welche sie in den benachbarten Bottich rieseln ließ. Nicht lange, und der Duft von
Salbei, Thymian und Rosmarin erfüllte den Raum und machte den Unmut, der sie in
diesem Moment packte, fürs Erste vergessen. »Und überhaupt: Findet Ihr, dass es
sich für einen verheirateten Ratsherren ziemt, mit der Tochter eines Baders anzubandeln?«
    »Hältst dich wohl für was Besseres, stimmt’s?«,
blaffte der bärtige Zweizentnermann, schenkte sich nach und stürzte den überschwappenden
Zinnbecher auf einen Zug hinunter. Im Anschluss daran gab er ein Rülpsen von sich.
»Höchste Zeit, dass du von deinem hohen Ross runterkommst!«
    »So, findet Ihr.« Ohne den Ratsherren, um dessen
Gunst sich die übrigen Bademägde rissen, auch nur eines Blickes zu würdigen, wischte
sich die 22-jährige Baderstochter die Hände ab und verrollte die Augen. Müde der
Offerten, Annäherungsversuche und Zweideutigkeiten, mit denen sie tagein, tagaus
überschüttet wurde, hätte sie am liebsten alles liegen und stehen lassen und sich
in ihrer Kammer unterm Dachboden verkrochen. Dort droben, zusammen mit ihrem Raben
und den geliebten Büchern, war sie wenigstens für sich. Dort hatte sie ihre Ruhe
und lief nicht Gefahr, von den Gästen wie eine Hübschlerin taxiert oder am Ende
gar begrapscht zu werden. »Warum so schweigsam? Bist doch sonst nicht auf den Mund
gefallen.«
    Drauf und dran, dem Ratsherrn über den Mund
zu fahren, verkniff sich Melusine ihre Erwiderung, ging in die Hocke und wischte
das verschüttete Wasser auf. Eine Frau wie sie war den Männern nur ein Dorn im Auge.
Daran hatte sie sich mittlerweile gewöhnt. Sie ließ sich eben nicht alles gefallen,
gab oft kontra und sagte nicht zu allem Ja und Amen. So etwas vertrugen die Mannsbilder
nicht. Kein Wunder, dass man sich über sie die Mäuler zerriss. Und darüber, dass
sie jedem, der Gefallen an ihr fand, einen Korb gegeben hatte.
    Melusines Mundwinkel kräuselten sich zu einem
Lächeln. So etwas ging in den Kopf der Männer, vor allem in den Quadratschädel dieses
Prachtexemplars von einem Ratsherrn, partout nicht hinein. Für diesen Schürzenjäger,
vor dem kein Weiberrock sicher war, waren Frauen wie sie ein rotes Tuch. Das hinderte
ihn jedoch nicht daran, seine Annäherungsversuche fortzusetzen. Selbst auf die Gefahr,
dass er sich eine neuerliche Abfuhr holen würde. »Keine Sorge, ich werde es mir
auch etwas kosten …«
    »Für den Fall, Meister Hinzpeter, dass Ihr mich
mit den Dirnen am Rödertor verwechselt«, schnitt Melusine dem korpulenten Aufschneider
das Wort ab, woraufhin Letzterem das Blut aus den feisten Zügen wich und der Mund
sperrangelweit offen stehen blieb, »lasst Euch gesagt sein, dass Eure Masche bei
mir nicht zieht. Da müsst Ihr Euch schon eine andere Gespielin suchen. Für die Art
von Lustbarkeiten, nach denen Euch offenbar der Sinn steht, habe ich nicht das Geringste
übrig. Was im Übrigen auch auf Eure Person zutrifft. So, und jetzt entschuldigt
mich, ich habe zu tun!«
    »Na warte, du rote Atzel!«, schäumte der Ratsherr
und drohte Melusine mit dem Zeigefinger, wovon diese sich jedoch nicht im Geringsten
beeindruckt zeigte. »Dir werd ich’s zeigen! Und damit du Bescheid

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