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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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müssen. Die Freude in ihm war jedoch so groß, dass
er keinerlei Verdacht schöpfte. »Aber … aber das ist ja großartig!«, rief er enthusiastisch
aus, kurz davor, der Priorin um den Hals zu fallen. »Und wie geht es ihr?«
    »Den Umständen entsprechend gut.«
    »Gott sei Dank.«
    »An Eurer Stelle, Berengar von Gamburg, würde
ich mich hüten, den Namen des Herrn in den Mund zu nehmen.«
    »Aber wieso denn? Was gibt es denn jetzt schon
wieder zu …«
    »Wie gesagt, Vogt, es geht ihr gut.« Die Priorin
lächelte maliziös. »Ich denke, es ist das Beste, ihr jegliche Aufregung zu ersparen.«
    »Aber …«
    »Kein ›Aber‹, Vogt! So, und jetzt habt die Güte,
Euch mitsamt Eurer Wunderheilerin aus unseren Gefilden zu entfernen!«
    Wie lange Berengar dumpf vor sich hinbrütend
vor der Pforte ausgeharrt hatte, vermochte er hinterher nicht mehr zu sagen. Er
wusste nur, dass es ziemlich lange gewesen sein musste.
    Wohin die Baderstochter entschwunden war, wusste
er allerdings nicht.
    Sie war einfach gegangen, lautlos, ohne ein
Wort des Abschieds zu sagen.

8
     
    Franziskanerkloster, eine Dreiviertelstunde nach Sonnenuntergang │ [18.08 h]
     
    »Tja, so sind sie nun mal, die hohen Herren!«, seufzte Bruder Alban,
Lektor [32] und lebende Legende unter den Brüdern seines Konvents, worauf er sich
jedoch überhaupt nichts einbildete. »Besser, man macht einen Bogen um sie.«
    »Allerdings!«, pflichtete Bruder Hilpert seinem
großen Vorbild und Weggefährten während seiner Pilgerfahrt nach Rom vor acht Jahren
bei. »Was die Betuchten dieser Welt angeht, kann mich ohnehin nichts erschüttern.
Zwei Jahre Detektivarbeit, und man ist von sämtlichen Illusionen kuriert.«
    »Na, na, na!«, stichelte der betagte Minoritenbruder
und schüttelte tadelnd das Haupt, dessen hervorstechendste Merkmale die ungepflegte
Tonsur, ein Muttermal an der rechten Schläfe und die zerzausten schneeweißen Haare
waren. »Heißt das, du bist unter die Aufrührer gegangen? Ausgerechnet du, Zierde
des Zisterzienserordens und weithin berühmter Inquisitor aus Maulbronn?«
    »Ich kann es auf den Tod nicht ausstehen, wenn
Leute drangsaliert werden. So gut müsstet Ihr mich eigentlich kennen.«
    »Warum denn so hitzig?«, mokierte sich der trotz
seiner 68 Jahre vor Kraft, Lebensfreude und Vitalität nur so sprühende Greis im
braunen Habit der Franziskaner, die Ellbogen auf der Kante seiner Werkbank, an der
er beinahe ebenso viel Zeit verbrachte wie in der Bibliothek. Kaum hatte er mit
dem Herumtüfteln begonnen, gab es nichts, was den kleinen Mann mit dem großen Herzen
aufhalten konnte. Dann saß er stundenlang in seiner Zelle, experimentierend, abwägend
und an allerlei Konstrukten herumhantierend, mit denen er seinen Brüdern von Nutzen
sein konnte. Sogar nach dem Stein der Weisen hatte er einmal gesucht, dies allerdings
ohne Erfolg. »So kenne ich dich ja gar nicht.«
    »Dieser Tuchscherer –«, murmelte Bruder Hilpert
und begann, in der Zelle seines väterlichen Freundes auf und ab zu gehen, »was wisst
Ihr über ihn?«
    »Typisch Hilpert!«, amüsierte sich Bruder Alban
und zog die Öllampe, in der ein zum Docht umfunktionierter und von ein paar Unzen
Rapsöl am Brennen gehaltener Tuchfetzen schwamm, näher zu sich heran. Und fügte
augenzwinkernd hinzu: »Geht ihm etwas gegen den Strich, erwacht der Inquisitor in
ihm. Wer weiß, vielleicht gibt es demnächst einen neuen Fall aufzuklären.«
    »Deus melius! [33] «, tat Bruder Hilpert im
Brustton der Überzeugung kund und richtete den Blick an die Decke der höchstens
sieben mal fünf Schritt großen Cella, in der außer einer Holzpritsche, einem Armarium [34] und Bruder Albans Werkbank
kaum Platz für persönliche Habseligkeiten war. »Vier Evangelisten, vier Fälle. Glaubt
mir, Vater – damit ist mein Bedarf gedeckt. Von nun an bis in Ewigkeit.«
    »Amen!«, versetzte Bruder Alban, ein verschmitztes
Lächeln im hohlwangigen und mit Altersflecken gesprenkelten Gesicht. »Da glauben
indes nicht wissen heißt, einstweilen nur so viel: Vor Männern vom Schlage eines
Laurenz Tuchscherer sollte man sich in der Tat hüten.«
    »Und wieso gerade vor ihm?«
    »Hochmütig wie Luzifer, habgierig wie ein Schacherer,
wollüstig wie ein Satyr [35] und rachsüchtig wie ein Despot aus dem Morgenland. So ließe er sich am Trefflichsten
charakterisieren.«
    »Vier Todsünden auf einmal – nicht schlecht.«
    »Und beileibe nicht die einzigen.«
    »Gefräßig wie ein Wolf, missgünstig wie ein
Zänker

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