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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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und träge wie ein Müßiggänger im alten Rom?«
    »So ungefähr. Seinen Ehrgeiz, der vor nichts
haltmacht, nicht zu vergessen. Man sagt, er trage sich mit dem Gedanken, bei den
nächsten Wahlen zu kandidieren.«
    »Ein Geck in den Zwanzigern? Als Stadtrat? Das
ist doch wohl nicht Euer Ernst.«
    »An deiner Stelle würde ich ihn nicht unterschätzen,
mein Sohn. Damit würdest du einen Riesenfehler begehen.«
    »Ein Mann mit besten Verbindungen, verstehe.«
    »Wenngleich von niederer Geburt.« Bruder Alban
hielt bei seiner Arbeit inne, hob das greise Haupt und starrte nachdenklich vor
sich hin. »Einer, dem nichts geschenkt worden ist und der gelernt hat, sich zu behaupten.«
    »Hört sich so an, als hättet Ihr Respekt vor
ihm.«
    »Respekt – ich? Da sei Gott vor!«, wehrte der
Tüftler mit den schwäbischen Wurzeln mit Nachdruck ab und wandte sich wieder seiner
Arbeit zu. »Sagen wir’s einmal so: Jemandem wie ihm traue ich alles zu. Und auch,
dass er es bis in den Stadtrat schafft.«
    »Wie kommt es eigentlich, dass er …«
    »Den Aufstieg vom Sohn eines Leinewebers zum
Ratskandidaten geschafft hat, meinst du? Ganz einfach. Er hat eine gute Partie gemacht.
Eine der besten, die man in dieser Stadt machen kann. Nun gut, die Tochter vom alten
Wernitzer war nicht mehr ganz jung und – der heilige Franziskus möge mir meine Worte
verzeihen! –, auch nicht mit einem Übermaß an Liebreiz gesegnet. Geheiratet hat
Tuchscherer sie trotzdem.«
    »Und quasi nebenbei eine fürstliche Mitgift
kassiert.«
    »Angenommen, du hast recht und Tuchscherers
Sinnen und Trachten hat von Anfang an nur dem schnöden Mammon gegolten.«
    »Was dann?«
    »Dann … Franziskus, Patronus unseres Ordens,
verzeih! … Nun ja, in diesem Falle ließe sich nicht bestreiten, dass Tuchscherer
den richtigen Riecher gehabt hat.«
    »Von daher also die schwarze Gewandung, verstehe.
Jetzt wird mir einiges klar.« Die Hände auf dem Rücken verschränkt, hielt Bruder
Hilpert gedankenverloren inne. »Mitte 20 und bereits Witwer, so, so. Und wie lange
schon?«
    »Seit gerade einmal zweieinhalb Tagen, falls
du es genau wissen willst.«
    »Und woran ist sie gestorben?«
    »An den Folgen der Geburt ihrer Tochter.« Heilfroh,
das Thema wechseln zu können, stieß Bruder Alban einen Seufzer der Erleichterung
aus und schwang sich zu Bruder Hilpert herum. »Hier – deine Augengläser. Na, was
sagst du jetzt?«
    »Seltsames Konstrukt«, murmelte Bruder Hilpert
und begutachtete die Brille, welche Bruder Alban ihm mit unverhohlenem Stolz präsentierte.
»Und Ihr glaubt wirklich, das hilft?«
    »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
Sichtlich gekränkt, runzelte Bruder Alban die Stirn und bedachte den Gast, von dessen
Stippvisite er sichtlich überrascht worden war, mit einem vorwurfsvollen Blick.
Sein Unmut indes hielt nicht lange an. »Sei’s drum – wie heißt es doch so schön:
›Omnia sunt ingrata.‹« [36]
    »Verzeiht, Vater. So war das nicht gemeint.«
    Bruder Alban strahlte über das ganze Gesicht,
und seine mausgrauen Augen blinzelten vergnügt. »Ich weiß, mein Sohn. Und da dem
so ist, werde ich dir erläutern, wie mein Wunderwerk zustande gekommen ist. Tritt
näher. Also: Hergestellt worden sind die beiden Linsen aus Beryll, einem Kristall,
von daher auch die Bezeichnung Brille. Ihre Form erhalten Sie durch immer flacheren
Schliff. Dieser wiederum sorgt dafür, dass das Kristall in die dafür vorgesehenen
Fassungen passt. So weit alles klar?«
    Bruder Hilpert nickte wie ein gehorsamer Novize.
    »Als Nächstes wird ein Stiel an den Fassungen
befestigt. Der Vorteil gegenüber den Lesesteinen, wie sie dir aus dem Skriptorium
vertraut sind, besteht darin, dass die Linse nicht mehr möglichst nah an den betreffenden
Gegenstand, sondern, wie du gleich sehen wirst, unmittelbar vor die Augen gehalten
werden muss. Hier, nimm. Nur keine Scheu. So. Zufrieden, mein Sohn?«
    »Ihr beschämt mich, Vater«, räumte Bruder Hilpert
kleinlaut ein, nachdem er die Brille ausprobiert und sie unter seiner Kukulle verwahrt
hatte. »So viel Zuwendung habe ich wirklich nicht verdient. Ein genialer Einfall,
das muss Euch der Neid lassen.«
    »Nicht der meinige, Hilpert, sondern derjenige
eines Arabers mit Namen Hasan al-Hazen.«
    »Überaus einfallsreich, diese Orientalen.«
    »Das kannst du aber laut
sagen. Auf die Idee, eine Null ins Dezimalsystem einzufügen, muss man ja erst mal
kommen. Geburten per Kaiserschnitt, Degenklingen aus Damaskus, Gewürze aus

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