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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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wahrhaftig nicht gut Kirschen
essen.«
    »Tuchscherers Schwiegermutter.«
    Bruder Alban nickte. »Und eins der zänkischsten
Frauenzimmer der Stadt. Mehr Haare auf den Zähnen als unser Kustos an seinem Bart.
Dürfte trotzdem froh gewesen sein, ihr Töchterchen unter die Haube zu bekommen.«
    »Liebreiz ist bekanntlich nicht alles.«
    »Aber jugendliches Alter.« Bruder Alban hüstelte
vor sich hin. »An die 30 und noch kein Ehegespons in Sicht – trübe Aussichten, kann
ich da nur sagen. Kein Wunder, dass der alte Wernitzer vor Begeisterung aus dem
Häuschen gewesen ist. Schade nur, dass er die Hochzeit seines Augapfels nicht mehr
erlebt hat.«
    »Das heißt, Tuchscherer ist wesentlich jünger
als seine Frau.«
    »Volle sechs Jahre, in der Tat.«
    »Hm.« Bruder Hilpert ließ seine Fingerkuppen
über die Schläfen gleiten und starrte an Bruder Alban vorbei ins Leere. »Eine höchst
merkwürdige Konstellation.«
    »Nach allem, was man so hört, jedoch eine höchst
effektive. Zumindest, was die Zuneigung der Braut gegenüber ihrem Gatten angeht.«
    »Und umgekehrt?«
    »Genau das ist der springende Punkt.« Bruder
Alban senkte den Blick und zwirbelte an den eisgrauen und wie Hörner nach oben gebogenen
Brauen herum. »Dem Vernehmen nach handelt es sich bei Tuchscherer um einen Mann,
der weiblichen Reizen gegenüber durchaus empfänglich ist.«
    »Wie gesagt: ein Wollüstling.«
    »Gelinde ausgedrückt.« Bruder Alban ließ den
Stock am Sargdeckel entlanggleiten und trat neben den Katafalk. Im Schein der Kerzen,
die sein Gesicht noch bleicher erscheinen ließen, sah er um Jahre gealtert aus,
wie jemand, der von einer heimtückischen Krankheit befallen wurde. »Mehr möchte
ich dazu nicht sagen.«
    »Wozu auch.« Ein Lächeln im Gesicht, aus dem
die beiden Minoriten nicht schlau wurden, begann Bruder Hilpert neben dem Katafalk
auf und ab zu gehen. »Was ist eigentlich mit Tuchscherers kleiner Tochter?«
    »Tot.«
    »Hört sich überaus deprimierend an.«
    »Ist es auch.« Bruder Alban stieß einen tiefen
Seufzer aus. »Wie dem auch sei – Gerüchten zufolge soll es bei der Niederkunft von
Tuchscherers Frau nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.«
    »Im Klartext, unser gemeinsamer Freund wird
bezichtigt, beim Tod seiner Gattin die Hand im Spiel gehabt zu haben.«
    »Falsch geraten. Nicht Tuchscherer, sondern
Egbertas Amme.« Bruder Albans Stimme sank zu einem kaum hörbaren Flüstern herab.
»Die Anklage lautet auf Giftmischerei. Mutter und Kind waren noch keine Viertelstunde
tot, da haben sie die alte Irmtrud schon in Ketten gelegt.«
    »Hm.« Am Fußende des Katafalks angekommen, hielt
Bruder Hilpert mit gerunzelter Stirn inne, bettete den Ellbogen in die Fläche seiner
rechten Hand und fuhr mit der Daumenkuppe an der Unterlippe entlang. Bruder Alban
ließ ihn gewähren, wie stets die Geduld in Person. »Sieht so aus, als käme jede
Menge Ärger auf uns zu. Beziehungsweise auf mich. Schöne Aussichten, bedenkt man,
mit wem ich mich demnächst auseinanderzusetzen haben werde.«
    »Was heißt hier ›ich‹ – hast du dein Alter Ego
etwa schon vergessen?«
    »Du hier?« Ehrlich verblüfft, traf Bruder Hilperts
Blick auf denjenigen seines Freundes Berengar, der wie aus dem Nichts neben ihm
aufgetaucht war. »Ich dachte, du bist …«
    »Es kommt eben immer anders, als man denkt«,
kam dieser seiner Frage zuvor, nickte den beiden Franziskanern zu und baute sich
in voller Größe vor Bruder Hilpert auf. »Auf ein Neues, Bücherwurm – und keine Ausflüchte,
wenn’s beliebt!«

Drittes Kapitel

Invidia [43]
9
     
    Rathaus, Amtsstube des Bürgermeisters, eine Stunde nach Sonnenuntergang │ [18.23 h]
     
    Bürgermeister Vinzenz Leberecht [44] war ein Franke aus echtem
Schrot und Korn. Und da dem so war, schätzte er nichts mehr als ein zünftiges Mahl,
edle Tropfen und häusliche Behaglichkeit. Wie die meisten seiner Vorgänger gehörte
er einer alteingesessenen Familie an, jenen Geschlechtern, welche ihr Vermögen aus
der Landwirtschaft schöpften und von alters her die Geschicke der freien Reichsstadt
lenkten. Alles in allem nannte Leberecht vier Dutzend Höfe sein eigen und war somit
einer der reichsten Männer der Stadt. Fernhandel und die damit verbundenen Risiken
war seine Sache nicht, Bodenständigkeit ein ehernes Prinzip. Dies galt im Übrigen
auch für seine Standesgenossen, die sich damit begnügten, Wein und Getreide anzubauen
und vom Ertrag ihrer Höfe und den Abgaben ihrer Pachtbauern zu leben. »Bleibe

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