Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
Ausführungen
angelangt, schnappte Bruder Hilpert nach Luft. Chlotilde Wernitzer, die Frau mit
der spitzen Zunge, dem spitzen Kinn, den spitzen Ohren und dem länglichen und verhärmten
Gesicht, über dem sich eine nahezu faltenfreie Flügelhaube ausbreitete, würde seinen
Schatz an unliebsamen Erfahrungen beträchtlich erweitern. Damit musste er sich anscheinend
abfinden. Trotz alledem keimte Mitleid in ihm auf, und so verschränkte er die Arme,
verbarg sie im Ärmel seiner Kukulle und wartete ab, bis Tuchscherers Schwiegermutter
das Wort ergreifen würde.
    Lange zu warten brauchte
der Bibliothekarius nicht. »Verschwunden, sagt Ihr?«, forschte die hagere und in
ein pechschwarzes Seidengewand mit Stehkragen gehüllte Mutter der Toten, bei der
Bruder Hilpert vergeblich nach Anzeichen von Trauer suchte. »Einfach so?«
    »Genau das gilt es zu
klären.«
    »Darf man erfahren, wie?«
    »Indem Ihr mir ein paar Auskünfte erteilt.«
    »Ich wüsste nicht, worüber.«
    »Aber ich.« Bruder Hilperts Miene verhärtete
sich. So leicht, wie es sich diese in die Jahre gekommene Rachegöttin gedacht hatte,
würde er sich nicht abwimmeln lassen. Da kannte ihn die Herrin des Hauses aber schlecht.
»Per exemplum [58] über die Umstände, welche zum tragischen Tod Eurer Tochter geführt
haben«, ergänzte Bruder Hilpert, der sich das Attribut ›geliebte‹ nur mit Mühe verkneifen
konnte. Ironie war momentan fehl am Platz, wenngleich es ihn drängte, sich ihrer
zu bedienen.
    »›Umstände‹? Wie darf ich das …«
    »Trifft es zu, dass Eure Tochter eines unnatürlichen
Todes gestorben ist?«
    »Wie ich sehe, seid Ihr
gut informiert.«
    »Gut genug, um Wahrheit
und Lüge auseinanderhalten zu können?«
    »Ich frage mich, was es
am Tod meiner Tochter noch zu deuteln gibt.« Die Lippen fest aufeinandergepresst,
unternahm Chlotilde Wernitzer den Versuch, Bruder Hilperts Blick standzuhalten.
Als er scheiterte, wandte sie sich ab und trat ans Fenster. »Da Ihr offenbar im
Bilde seid, wisst Ihr ja, wen man des Mordes an meiner Tochter bezichtigt.«
    »Heißt das, Ihr hegt Zweifel
daran?«, warf Berengar ein, für seine Verhältnisse ausgesprochen moderat. »Wenn
ja, solltet Ihr sie nicht länger für Euch be…«
    »Zweifel?«, entrüstete
sich die Endfünfzigerin, mit deren Beherrschtheit es nicht weit her zu sein schien,
und wirbelte wie von Furien gepeinigt herum. »Was heißt hier ›Zweifel‹? Soviel ich
weiß, hat Egbertas Amme bereits ein Geständnis abgelegt. Von sich aus, wohlgemerkt.
Wozu sich also den Kopf zerbrechen, wenn feststeht, wohin dies unweigerlich führen
wird.«
    »Nämlich?«
    »Dazu, edler Herr, dass die Giftmischerin eines
qualvollen Todes sterben wird. Als gräflicher Vogt müsstet Ihr das eigentlich wissen.«
    »Auge um Auge, Zahn um Zahn – ich verstehe«,
warf Bruder Hilpert ein, in der Absicht, dem zu erwartenden Frontalangriff seines
Freundes vorzubeugen. »Mir scheint, Euer Urteil ist bereits gesprochen.«
    »Wie gesagt: Ich wüsste nicht, was es diesbezüglich
zu beratschlagen gäbe.«
    Bruder Hilpert rang sich
ein dünnes Lächeln ab. »Erlaubt, dass ich Euch trotzdem ein paar Fragen stelle,
edle Frau.«
    Drauf und dran, ihrem
Unmut freien Lauf zu lassen, holte Chlotilde Wernitzer tief Luft, besann sich jedoch
eines Besseren und drehte ihm erneut den Rücken zu. »Fragt, was Ihr zu fragen habt!«,
gab sie kurz angebunden zurück. »Und macht es kurz, Bruder.«
    »Nichts lieber als das.« Bruder Hilpert verschränkte
die Hände und ließ die Daumenkuppen um die eigene Achse kreisen. »Wann genau, ehrenwerte
Dame, wurde Eure Tochter eigentlich zu Ihrem Schöpfer berufen?«
    »Dienstag früh.«
    »Und wo?«
    »In ihrem Schlafgemach, wo sonst?«
    »Wer außer Euch war noch zugegen?«
    »Ihre Mörderin.«
    »Quod erat demonstrandum. [59] Und wer noch?«
    »Ihr Hundsfott von Gemahl.«
    »Tatsächlich? Während der Geburt?«
    »Natürlich nicht. Er saß draußen, in der Diele.«
    »Die ganze Zeit über?«
    »Woher soll ich das wissen, Bruder?«
    Der Bibliothekarius setzte
ein honigsüßes Lächeln auf. »Mit anderen Worten: Ihr behauptet, das Gemach Eurer
Tochter während der fraglichen Zeit nicht verlassen zu haben.«
    »Ich behaupte es nicht
nur, Mönch, ich bin mir sicher.«
    »Gut zu wissen«, tat Bruder
Hilpert im Brustton der Überzeugung kund. »Und in der Tat ungewöhnlich, wenn ich
das so sagen darf.«
    Chlotilde Wernitzer fuhr herum und funkelte
Bruder Hilpert wütend an. »Was, bitte schön, ist

Weitere Kostenlose Bücher