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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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erfahren, was dir in Abwesenheit deines
Aufpassers und geistlichen Beistandes zugestoßen ist?«
    »Man darf.« Die Andeutung eines Lächelns im
Gesicht, blieb Berengar stehen und fasste die Ereignisse der vergangenen Stunden
zusammen. Breiten Raum nahm natürlich die Begegnung mit der mysteriösen Fremden
ein, wohingegen er den Schwächeanfall seiner Verlobten verschwieg. »Allerhand los
heute, hab ich recht?«
    »Hast du!«, pflichtete Bruder Hilpert dem Gefährten
bei und war im Begriff, ihn mit weiteren Fragen zu bestürmen, als er durch ein Geräusch
in unmittelbarer Nähe davon abgehalten wurde. Nur noch wenige Schritte von ihrem
Ziel entfernt, wanderte der Blick der beiden Freunde zum schmiedeeisernen Portal
von Wernitzers Haus und blieb an einem schätzungsweise 15 Jahre alten Mädchen haften,
hinter dem soeben die Tür zugefallen war. Es trug Zöpfe, Holzpantinen, Beinlinge
aus Wolle, eine fleckige alte Schürze und darunter ein schäbiges braunes Kleid,
das gleich mehrfach geflickt worden war. Die Bürste in der rechten und einen Eimer
mit Wasser in der linken Hand, hatte das zierliche Geschöpf weder Augen noch Ohren
für seine Umgebung, drehte sich geistesabwesend um und stellte den randvollen Kübel
vor dem Torbogen ab. Dabei erweckte es den Eindruck, überhaupt nicht bei der Sache
zu sein, es schien, als befinde es sich in Trance.
    Bruder Hilpert stutzte,
Berengar nicht minder. Das Mädchen indes drehte sich nicht einmal um, schien so
vertieft, dass es die beiden Fremden, welche sie bei der Reinigung des rechten Türflügels
beobachteten, nicht bemerkte. Erst ein Räuspern, welches Bruder Hilpert beim Nähertreten
von sich gab, sorgte dafür, dass es seine Arbeit unterbrach und einen Blick über
die linke Schulter warf.
    »Gott zum Gruße, meine
Tochter.« Bruder Hilpert nickte freundlich mit dem Kopf. Bei näherer Betrachtung
sah das Mädchen wesentlich älter aus, zumindest was sein Gesicht betraf, aus dem
er einen Blick auffing, welcher ihn unversehens frösteln ließ. »Denkst du, es wäre
möglich, ein paar Worte mit deinem Herrn zu wechseln?«
    Das Mädchen, bei dem es
sich offensichtlich um eine Dienstmagd handelte, sah Bruder Hilpert unverwandt an.
Es wirkte verstört, beinahe so, als habe man ihm ein Messer an die Kehle gesetzt.
Bruder Hilpert hielt verblüfft inne. Selten zuvor hatte er derart schöne Augen gesehen,
selten zuvor aber auch einen derart schreckerfüllten Blick. So furchtsam, dass er
instinktiv zurückwich, was das Mädchen umso mehr irritierte. Die Augen weit aufgerissen,
starrte es ihn wie eine Erscheinung aus dem Jenseits an, mit jeder Faser seines
Wesens auf den ihm unbekannten Störenfried konzentriert.
    Hypnotisiert von dem flackernden Blick, rührte
sich Bruder Hilpert nicht von der Stelle, und je länger dies der Fall war, desto
schwerer fiel es ihm, sich vom Anblick des Mädchens loszureißen.
    Doch plötzlich, von einem Moment auf den anderen,
gewann die Maid die Fassung zurück und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Die Antwort
auf seine Frage blieb sie Bruder Hilpert schuldig, doch das focht den Bibliothekarius
nicht mehr an. Ein Blick auf die verblassenden weißen Buchstaben an der Tür, und
das merkwürdige Verhalten der blutjungen Dienstmagd war vergessen. Bruder Hilpert
schüttelte verwundert den Kopf. Gottlob waren die Lettern so groß, dass ihre Entzifferung
ihm keine Schwierigkeiten bereitete, weshalb er das Konstrukt, welches sein väterlicher
Freund für ihn ersonnen hatte, nicht benötigte. Bruder Hilpert war dies mehr als
recht, vor allem, weil er sich vor Berengar nicht blamieren und alles vermeiden
wollte, was den Eindruck des zu Ruhm und Ansehen gelangten Bibliothekarius hätte
schmälern können.
    Als wolle er ihm seine Eitelkeit austreiben,
kam Berengar dem Bibliothekarius indes zuvor. »Cupiditas!«, raunte der Vogt, so
leise, dass Hilpert ihn nur mit Mühe verstand. »Möchte wissen, was das zu bedeuten
hat.«
    »Ich ehrlich gesagt auch«, pflichtete Bruder
Hilpert seinem Freund bei, den Blick abwechselnd auf das Mädchen und die nicht zu
übersehenden weißen Lettern gerichtet. »Mir scheint, als habe Tuchscherer nicht
nur Freunde in dieser Stadt.«
    »Vorsichtig ausgedrückt. Wie dem auch sei, höchste
Zeit, unserem Freund einen kleinen Besuch abzu…«
    »Darf man fragen, was Euer Begehr ist, Ihr Herren?
Oder plagt Euch die Langeweile?«
    »Keineswegs, wo denkt Ihr hin!«, entgegnete
Bruder Hilpert, nachdem sein Blick nach oben gewandert und an

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