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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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eine Szene aus Dantes Inferno an. Das Klopfen
an der Tür war kaum hörbar gewesen. Für Deodatus, der wie ein Armbrustbolzen in
die Höhe schoss, jedoch Grund genug, auf einen Wink der Baderstochter die Treppe
hinaufzueilen und dem Gast, der sich zu später Stunde eingefunden hatte, die Tür
aufzusperren.
    Es war ein Gast der besonderen Art. Jemand,
den er kannte. Und der ihm, wie so vieles an diesem Tag, in zweifelhafter Erinnerung
war.
    Auf Katharina, Dienstmagd
im Hause Tuchscherer, schien sein verblüfftes Gesicht jedoch keinen Eindruck zu
machen. Sie spazierte die Treppe hinunter, als sei sie hier zu Hause, begrüßte Melusine
mit einem Kopfnicken und blieb unmittelbar neben dem Tisch stehen.
    Bruder Hilpert hielt den
Atem an. Und dann, als sein Blick auf den Tisch mit den drei Leichen fiel, lief
es ihm eiskalt über den Rücken. Das Gesicht der kleinen Agnes und der Dienstmagd
glichen sich beinahe aufs Haar. So sehr, dass Bruder Hilpert fürchtete, einer Sinnestäuschung
zu erliegen. Erst als sein Blick gleich mehrfach hin und her gewandert war, gewann
er die Fassung wieder, beschlich ihn eine Ahnung, die ihm endgültig die Sprache
raubte.
    »Mir scheint, Ihr beginnt
zu begreifen!«, versetzte die Baderstochter, der es auf einmal nicht schnell genug
gehen konnte. »Alles Übrige, wenn Ihr erlaubt, unterwegs.«
    »Unterwegs?«
    »Ihr habt richtig gehört, Bruder!«, bekräftigte
Melusine, verhüllte das Gesicht der Toten und zog den Bibliothekarius mit sich fort.
»Oder wollt Ihr, dass uns Tuchscherer durch die Lappen geht?«

25
     
    Postskriptum (III)
     
    Was, in der Dreifaltigkeit Namen, war hier eigentlich im Gange? Und
wo, wo war eigentlich Laurenz geblieben?
    Stimmen, teils aus der
Nähe, teilweise aber auch weit entfernt. Wie aus einem Trichter, teilnahmslos, bar
jeglichen Gefühls. Und dazwischen immer wieder Irmtrud, besorgt, besonnen und abgeklärt,
fürsorglich und voller Wärme. Ein Fels in der Brandung, ein Damm gegen die Ängste,
deren sie sich mit aller Macht zu erwehren versuchte.
    Wie lange die Tortur wohl noch dauern würde?
Eine Stunde, zwei oder noch länger? Sie wusste es nicht. Schrie ihre Schmerzen heraus.
Klammerte sich mit Macht an den Gebärstuhl, wand sich, verkrampfte sich, flehte,
schimpfte, bettelte, fluchte, hechelte, jaulte wie ein Welpe. Überschüttete all
jene, welche ihr zu nahe kamen, mit unflätigen Verwünschungen.
    Alle, nur nicht Irmtrud, die Einzige, auf die
sie sich verlassen konnte.
    Der Ohnmacht nahe, presste Egberta die Augenlider
zusammen, warf den Kopf in den Nacken und bäumte sich gegen ihr Schicksal auf. Wogen
des Schmerzes schlugen über ihr zusammen, wahre Brecher, die sie unter sich zu begraben
drohten. Ausgerechnet sie, die geglaubt hatte, robust, zäh und gegen jegliche Pein
gefeit zu sein. Ihr Nachthemd war völlig durchgeschwitzt, das Haar klitschnass,
der Schlag ihres Herzens so wild, dass es schien, als ob es in tausend Stücke zerspringen
wolle.
    Jetzt nur nicht aufgeben, machte sich die Wöchnerin
selbst Mut, rang nach Luft, stieß einen markerschütternden Schrei aus – und erstarrte.
    Irmtrud war nicht mehr da. Das spürte sie ganz
genau. Sie, die ihr immer beigestanden, die alles daran gesetzt hatte, ihren Schützling
vor Unbill, Leid und Drangsal zu bewahren.
    Stattdessen war da jemand anderes, jemand, den
sie jetzt, kurz vor der Geburt, nicht bei sich haben wollte. Den sie, ginge es nach
ihr, in den hintersten Winkel der Hölle verbannt hätte.
    Zu schwach, um sich dem Anerbieten zu widersetzen,
bezähmte Egberta ihre Antipathie und hielt einen Moment lang still. ›Hier, trink!‹,
befahl die Stimme, bei deren Klang ihr das Blut in den Adern gefror und deren Echo
sie bis ins Mark erzittern ließ.
    Egberta gehorchte, öffnete den Mund, spürte
einen bitteren, sämtliche Empfindungen auslöschenden Geschmack im Mund. Und dann,
mit einer letzten, verzweifelten, ans Übermenschliche grenzenden Anstrengung, mobilisierte
sie all ihre Kräfte, um des Kindes willen, welches sie im gleichen Moment gebar.
    Das Letzte, was sie auf Erden hörte, war der
Schrei, welchen das Neugeborene ausstieß, gefolgt von einem dumpfen, in ihr Tiefinnerstes
dringenden, ihren Lebenswillen vernichtenden Schlag.
    Dann brach sie zusammen und hauchte ihr Leben
aus.

Sechstes Kapitel
     

Luxuria [83]
26
     
    Spitalgasse, eine halbe Stunde vor Mitternacht │ [23.30 h ]
     
    »Gerechtigkeit!«, empörte sich Ludolf Egerter und hieb mit der Faust
auf den Tisch, welcher in

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