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Engel der Schuld Roman

Titel: Engel der Schuld Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Aber das einzige, was sie mit Gewißheit wußte, war, daß es in diesem Spiel, in dem die Einsätze so hoch waren, etwas wie Sicherheit nicht gab. Und sie hatte das ungute Gefühl, daß das gegnerische Team mit gezinkten Karten spielte.
    Um zehn nach elf stapfte sie die Treppe zur Bibliothek im zweiten Stock hoch. Sie konnte die zweifelhaften Dienste von Deputy Qualey noch vierzig Minuten lang in Anspruch nehmen. Zeit genug, um die Bücher zu holen, die sie brauchte, auch wenn sie nichts nützen würden. Wenn Grabko sich bereits über die Identifizierung durch die Gegenüberstellung entschieden hatte, dann hatte er auch einen Präzedenzfall gefunden, mit dem er sich absichern konnte. Das verklemmte Arschloch hatte si cher jeden noch so obskuren Fall durchforstet, um seine Entscheidung zu stützen. Ellen hatte Cameron die Aufgabe zugeteilt, Urteile zu finden, die ihre Position stützen würden. Er hatte einen Stapel Bücher mit nach Hause genommen. Aber sie wollte selbst so gut wie möglich mit den Fällen vertraut sein, die in den allgemeinen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Verletzung der Rechte von Anwälten zitiert wurden, und deshalb fand sie sich jetzt in den abgedunkelten Gängen im zweiten Stock wieder.
    Sie hatte überlegt, ob sie Qualey mitnehmen sollte, hatte aber Mitleid mit ihm und seinem beim Hockey zerschmetterten Knie gehabt. Nachdem Brooks gegangen war, hatte sie Ed ein paar Takte über seine Aufgabe erzählt, und er hatte ihr versichert, er würde sonst niemanden mehr hineinlassen. Der zweite Stock war menschenleer.
    Logische Beschwichtigungen kämpften in ihr mit unheimlichen Gefühlen. Ellen tadelte sich für ihre Schreckhaftigkeit, betrat die Bibliothek und schaltete das Licht ein.
    Der Raum war rein funktionell eingerichtet. Erbsengrüner Teppichboden, schlichte Eichenregale, die mit den Jahren dunkler geworden waren, strenge Bibliothekstische im Missionsstil und schnörkellose Stühle, die schon lange vor dem Dekorationswahn späterer Jahre hier gestanden hatten.
    Sie streifte entschlossen an den Regalen entlang, zog die Bücher heraus, die sie brauchte, und trug sie zu einem Tisch. Sie hatte die Namen der Fälle auswendig gelernt – Vereinigte Staaten gegen Wade, Gilbert gegen Kalifornien, und für Minnesota: Staat gegen Cobb und Staat gegen Guevara. Sie zwang sich, sie nachzuschlagen, die Seiten zu markieren. Es wäre sinnlos gewesen, sie alle nach Hause zu schleppen, um dann festzustellen, daß sie das falsche Buch erwischt hatte. Sei gründlich. Konzentriere dich. Halte deine Nerven unter Kontrolle.
    Die ersten beiden Fälle waren fast dreißig Jahre alt. Staat gegen Cobb war von 1979 , was aber keine Rolle spielte, wenn das Urteil auf ihren Fall anwendbar war. Staat gegen Guevara war der jüngste, von 1993 , und der aufschlußreichste, wenn sie sich recht erinnerte. Das war ebenfalls ein Fall von Kindesentführung gewesen, oben in Dakota County. Ein Zeuge hatte Guevara bei einer Gegenüberstellung identifiziert, aber Guevaras Anwalt hatte die Gegenüberstellung erfolgreich angefochten. Ellen kroch es eiskalt den Nacken hoch, als ihr einfiel, daß der Prozeß mit einem Freispruch geendet hatte.
    Du verhandelst einen völlig anderen Fall, argumentierte die logische Seite ihres Verstandes. Guevara war nicht nur wegen der Entführung angeklagt, sondern auch vor einem Schwurgericht des Mordes beschuldigt worden. Die Tatsache, daß man das kleine Mädchen nie gefunden hatte, war bei der Jury schwerer ins Gewicht gefallen als jeder andere Aspekt des Falls.
    Aber dieser Zeuge hätte das Pendel zur anderen Seite hin ausschlagen lassen können.
    Ellen blätterte weiter. Seiten über Seiten von Präzedenzfällen, und dann erstarrte sie bei Staat gegen Guevara.
    Jemand war ihr zuvorgekommen und hatte die Seite mit einem weißen Papierstreifen markiert. Sie drehte das Buch zur Seite und las die Notiz auf dem Streifen.
    es ist eine S Ü NDE, von anderen B ö ses zu denken, aber es ist selten ein Fehler.
    Die Uhr auf Joshs Nachttisch zeigte eine Minute nach Mitternacht. Hannah saß im Schneidersitz auf dem Schlafsack, den sie auf dem Boden gegenüber Joshs Bett ausgebreitet hatte. Die Erwartung war wie eine Feder in ihr gespannt, stärker mit jeder Minute. Sie baute sich zu etwas auf, das sie bisher nicht gekannt hatte.
    Eine Schlacht, dachte sie. Eine Schlacht um ihren Sohn. Nicht nur um Gerechtigkeit, sondern um Josh selbst. Er war ihr genommen worden. Sie hatte die Rolle des Opfers gespielt, aber

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