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Engel der Schuld Roman

Titel: Engel der Schuld Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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jetzt nicht mehr. Je länger sie darüber nachdachte, desto klarer konnte sie es sehen. Die Herausforderung von etwas Bösem, die Rolle, die sie spielen mußte. Der Kampf im Gerichtssaal würde in wenigen Stunden beginnen, aber die Schlacht würde weit über das Gerichtsgebäude hinausgehen, weit außerhalb der Reichweite von Ellen North oder Anthony Costello geschlagen werden. Das war ihr jetzt klar.
    Sie schloß die Augen und beschwor das Böse, ein gesichtsloses Wesen, herauf. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich auf einer dunklen Ebene stehen, der Himmel war niedrig und bleiern. Etwas weiter seitlich konnte sie Josh stehen sehen, knapp außerhalb ihrer Reichweite. Sein Gesicht war gefühllos, blind. Und sie konnte das Böse fühlen, kalt und schwer.
    »Du kannst meinen Sohn nicht haben. Ich bringe dich um, wenn es sein muß.«
    »Ich habe ihn bereits genommen. Er gehört mir schon.«
    »Ich werde dich töten.«
    Sie hob die Hand, und ein Messer erschien zwischen ihren Fingern. Sie stieß es durch die drückende Luft, durchschnitt die Dunkelheit wie ein Segeltuch, das zerriß und eine hohe Welle von Blut enthüllte. Das Blut ergoß sich über sie, warf sie um, füllte ihr Mund und Nase, würgte sie, ertränkte sie. Sie kämpfte darum aufzuwachen, aber es zog sie nach unten wie eine Strömung, und dann fiel sie ins Leere.
    Josh träumte von einem Meer von Blut. Er trieb darauf wie auf einem Luftkissen über einem See. Sicher und doch nicht sicher. Sicher, weil der Nehmer es sagte, und das machte ihm angst, denn er wollte dem Nehmer nicht mehr vertrauen. Er konnte fühlen, wie seine Mutter an ihm zerrte, ihre Hände aus dem Meer streckte, um ihn zu packen. Er wollte mit ihr gehen, aber er hatte Angst, der Nehmer würde sie dann beide ertränken. Aber wenn er blieb, wo er war, würde der Nehmer immer bei ihm sein, und der Nehmer machte ihm mehr und mehr angst. Er konnte den anderen Kaputten in seinen Träumen sehen, wie er von den Händen des Nehmers über ihn gehalten wurde, wie die Hände sich immer fester krallten, der Junge seinen Mund öffnete, um zu schreien, aber keinen Ton herausbrachte, wie seine Augen immer größer wurden, immer größer vor Entsetzen, einem Entsetzen, das Josh in sich selbst spüren konnte. Er mochte das Gefühl nicht. Es machte, daß er weinen wollte. Es machte, daß er sich übergeben wollte. Es machte, daß er sich seiner Mutter zuwenden wollte, aber sie war im Blutmeer versunken.
    In Panik zog er sich in sich selbst zurück, das war der Trick des Nehmers, mit dem er den Nehmer jetzt selbst austricksen würde. Er öffnete jene Tür in seinem Bewußtsein, ging in den kleinsten, geheimsten Raum und schwor sich, nie wieder hinauszugehen.
    es ist eine S Ü NDE, von anderen B ö ses zu denken, aber es ist selten ein Fehler.
    Ellen sah den Zettel vor sich auf dem Tisch, hörte die Botschaft – ein unheimliches Flüstern, das sie zu umzingeln schien. Sie konnte seine Gegenwart spürten, spüren, wie sich seine Hände um ihren Hals legten.
    Das B ö se.
    Die Hände drückten zu. Sie sprang vom Stuhl hoch, warf sich über den Tisch, Bücher polterten vom Tisch in das Blut, das den Boden bedeckte. Sie landete selbst darin, auf Händen und Knien, rutschte aus und schlitterte weg, als sie aufzustehen versuchte. Sie konnte nicht atmen, spürte, wie ihre Luftröhre den Dienst versagte. Sie kämpfte sich hoch und drehte sich um. Garrett Wright saß lächelnd auf dem Stuhl, den sie freigemacht hatte. Die Hände um ihren Hals waren unsichtbar.
    Das erste was wir tun: wir bringen alle Anw ä lte um .
    Der Satz dröhnte in ihren Ohren, lauter und lauter, bis die Worte nicht mehr zu unterscheiden waren.
    Sie schnellte keuchend hoch und starrte das Telefon auf dem Nachttisch an. Angst stieg in ihrer Kehle hoch, bis sie fürchtete, daran zu ersticken. Aber sie zwang sich, die Hand auszustrecken und den Hörer abzunehmen.
    »Ellen North«, sagte sie, und ihr Mund war trocken wie Watte.
    Das Schweigen war einen Herzschlag lang, dann kam die Stimme, barsch und brüchig.
    »Steiger hier. Wir haben den Holloman-Jungen gefunden. Er ist tot.«
TAGEBUCHEINTRAG
    1 . Februar 1994
    Unsere Litanei der S ü nden ist ein altes klassisches Lied
Wir haben jung angefangen und lang durchgehalten.
Mit frischem Blut gen ä hrt, wird unser Spiel weitergehen

30
    »Miss North, welchen Einfluß wird das auf die Anklage gegen Garrett Wright haben?«
    »Miss North, sind Sie bereit zuzugeben, daß Sie den falschen Mann

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