Engel der Verdammten (German Edition)
Sandra stürmte ins Wohnzimmer, wo ihre Mutter mit einer Zeitschrift in den Händen vor einem Teetablett mit frischem Butterkuchen saß. Sie war so groß wie ihre Mutter und schlank. Ihr blondes Haar hatte sie erst vor Kurzem mit einigen roten Strähnchen verschönert.
»Siehst du das?«, schrie Sandra in höchster Empörung und hielt ein kurzes Oberteil in die Höhe, das eingelaufen war und einen leichten Rosastich aufwies.
»Diese dumme Schlampe hat mein neues Top versaut!«
»Ich möchte nicht, dass du so redest«, rügte die Mutter sanft. Ihre Tochter stampfte mit dem Fuß auf und rannte hinaus.
»Dorina!«, schrie sie. »Wo bist du? Komm sofort her!«
Leichte, eilige Schritte.
»Bitte?«, sagte sie nur, senkte den Kopf und schlug die Augen nieder. Sie war viel kleiner als Sandra und nicht mehr nur schlank, sondern regelrecht mager. Ihr nachlässig geschnittenes Haar war dunkel wie ihre Augen, die nun auf den Boden vor Sandras Füße starrten.
»Sieh her, du blöde Kuh, was du gemacht hast«, schimpfte Sandra und klatschte Dorina das Top ins Gesicht.
Ängstlich hob Dorina den Kopf. »Nicht Absicht«, sagte sie. »Entschuldigung!«
»Das ist alles, was dir dazu einfällt?«, wütete Sandra. Sie hob ihre Rechte und gab ihr eine schallende Ohrfeige. Dorina blinzelte nur, obgleich einer von Sandras Ringen eine Abschürfung auf ihrer Wange zurückließ.
»Ach, das macht dir nicht einmal was aus?«, kreischte Sandra. »Ich werde dir deinen Hochmut austreiben, du blöde, ungeschickte Schlampe. Vermutlich hast du das absichtlich getan. Dir werd ich’s zeigen!«
Sie griff nach dem nächstbesten Gegenstand – eine lange, dünne afrikanische Holzskulptur – und begann, auf Dorina einzuprügeln. Mit einem Schmerzensschrei fiel die junge Frau auf die Knie. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt und wirkte älter, aber in diesem Moment war sie nur ein verängstigtes Kind, dem Gewalt angetan wurde.
»Du wirst in Zukunft besser auf meine Sachen aufpassen«, brüllte Sandra im Stakkato ihrer Schläge, die auf den Körper der zusammengekauerten Gestalt zu ihren Füßen niedergingen.
Mit einem Seufzer erhob sich Frau von Ilsenbrick und kam nach nebenan ins Esszimmer.
»Es ist genug!«, sagte sie beherrscht, doch in einem Ton, der ihre Tochter sofort innehalten ließ. Sie trat näher und nahm Sandra die Skulptur aus der Hand, mit der sie auf Dorina eingeprügelt hatte. Die junge Frau blieb bewegungslos auf dem Boden liegen. Blutspritzer sprenkelten das Parkett.
»Steh auf«, befahl Frau von Ilsenbrick. Dorina gehorchte. Blut rann ihr aus der Nase und aus einem Riss an der Schläfe.
Frau von Ilsenbrick gab ihr ein Papiertaschentuch. »Pass auf, dass kein Blut auf den Teppich tropft! Hol dir ein Pflaster aus dem Bad und geh dann auf dein Zimmer, bis es aufgehört hat zu bluten. Dann kommst du wieder und machst hier sauber, ehe du mit deiner normalen Arbeit weitermachst. Du musst heute noch die Waschküche wischen und den Herd sauber machen. Du gehst erst ins Bett, wenn du alles erledigt hast. Hast du mich verstanden?«
Das Papiertaschentuch fest an die Nase gedrückt, nickte Dorina und humpelte hinaus.
Frau von Ilsenbrick sah auf die Skulptur in ihren Händen herab. Sie ging zu dem antiken Buffet und zog ein weiches Tuch aus der Schublade, mit dem sie fast zärtlich über den Frauenkörper in ihrer Hand strich. Sie polierte die Figur, bis auch der letzte Rest von Blut verschwunden war, und betrachtete sie dann aufmerksam von allen Seiten. Nein, sie hatte keinen Schaden genommen. Behutsam stellte sie die Figur an ihren Platz zurück, dann wandte sie sich an ihre Tochter.
»Sandra, du musst lernen, dein Temperament zu zügeln. Unbeherrschte Wut kann Folgen haben, die du hinterher bereust.«
»Ich bereue gar nichts!«, gab sie trotzig zurück.
Ihre Mutter presste die Lippen zusammen. »Es geht hier nicht um Reue, sondern um Beherrschung. Diese Skulptur ist viel wert! Du hast Glück, dass sie keinen Schaden genommen hat.«
»Und was ist mit meinem Top?«, gab die Tochter zurück. »Ich wollte es heute Abend anziehen.«
Frau von Ilsenbrick holte ihre Handtasche vom Buffet, öffnete ihren Geldbeutel und zog drei Hunderter heraus. »Dann kauf dir halt ein neues«, sagte sie, »und nun will ich nichts mehr hören. Ich bekomme Migräne bei so viel Trubel.«
Sandra steckte die Geldscheine in ihre Hosentasche, während Frau von Ilsenbrick zu Tee, Kuchen und ihrer Zeitschrift ins Wohnzimmer zurückkehrte.
Sabine machte sich
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