Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel der Verdammten (German Edition)

Engel der Verdammten (German Edition)

Titel: Engel der Verdammten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
durchgestrichen. Mit energischer Hand war der Kugelschreiber auf das Papier gedrückt worden und die Tinte war noch nicht einmal vollständig trocken. Sein Blick verharrte auf dem Namen: Anelia.
    Er kam zu spät. Das ahnte er bereits, als er in die Straße einbog. Dennoch flog er geradezu auf das Haus zu, setzte mit einem weiten Sprung über das Tor hinweg und überwand mit wenigen großen Sätzen die Einfahrt, die vor dem geschlossenen Tor einer Doppelgarage endete. Dort hielt er kurz inne und nahm noch einmal die Witterung auf. Für einen Moment gab er sich der Hoffnung hin, er sei noch zur rechten Zeit gekommen, doch die Gerüche, die ihm in die Nase stiegen, sagten etwas anderes, und die Witterung log nie.
    Peter von Borgo umrundete das Haus und floss durch ein gekipptes Fenster ins Innere. Er folgte dem durchdringenden Geruch nach Blut ein paar Kellerstufen hinab in ein kleines Gelass. Für einen Moment blieb er in der Tür stehen und nahm das Bild der Zerstörung in sich auf. Da lag sie, Anelia, in ihrem Blut. Er versuchte, die aufsteigende Gier niederzudrücken. Sie würde ihn nur ablenken und seine Sinne trüben. Peter von Borgo kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich wieder auf den Körper zu seinen Füßen.
    Er versuchte sich vorzustellen, was geschehen war. Sie hatte bereits geschlafen und vermutlich nicht bemerkt, dass der Tod in ihre Kammer eingedrungen war. Wie bei den anderen Frauen auch war ihre Kehle mit brutaler Kraft durchgeschnitten worden. Noch immer floss Blut aus der klaffenden Wunde. Der Vampir ließ sich auf die Knie sinken und legte seine Hand auf die Brust des Opfers. Ein Flattern wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Das Leben war noch nicht vollständig aus ihrem Körper gewichen. Er beugte sich vor und beschwor ihren Blick mit all seinen Kräften. Aber es war zu spät. Ihr Geist war nicht mehr in der Lage, seinem Befehl zu folgen, und mit einem Zittern zog sich ihr Herz zum letzten Mal zusammen. Noch einmal quoll ein roter Schwall aus der durchgeschnittenen Blutbahn, dann versiegte der Strom des Lebens, und die Seele löste sich von ihrer sterblichen Hülle. Zumindest stellte man es sich gemeinhin so vor. Der Vampir wusste nicht, ob es stimmte. Mit Seelen kannte er sich nicht besonders gut aus. Seine eigene war schon lange von ihm gegangen. Er war nur noch ein verfluchtes Wesen der Nacht, getrieben von seiner Gier.
    Peter von Borgo dachte darüber nach, während er auf dem Boden in einer Lache warmen Blutes kniete und sanft mit den Fingerspitzen über ihre Wangen strich.
    Anelia. So jung und vor wenigen Augenblicken noch voller Leben.
    Peter von Borgo löste sich von den sentimentalen Gedanken und sah sich um. War der Tod für sie eine Erlösung gewesen? Sie hatte im Bett gelegen und geschlafen, und vermutlich war sie gar nicht mehr richtig wach geworden. Entsetzen und Todesangst waren ihr erspart geblieben. Dort, noch in ihrem Bett hatte es begonnen. Es war zerwühlt, die Bettdecke weggerissen. Das erste Blut war geflossen und auf ihr Kopfkissen herabgeronnen.
    Und dann? Der brutale Schnitt, der ihre Schlagader durchtrennte, die Luftröhre und die Speiseröhre, bis die Schneide des Messers gegen die knöchernen Wirbel stieß. Peter von Borgo sah die Blutspritzer rund um das Bett und die Lache, die sich neben dem Kopfende am Boden gebildet hatte.
    Doch warum lag die Leiche jetzt hier in der offenen Tür? Aus eigener Kraft konnte Anelia nicht dort hingekrochen sein, auch wenn noch ein Hauch von Leben in ihr gewesen war, als er sie gefunden hatte.
    Jemand hatte sie aus dem Bett gehoben und bis hierhin getragen. Aber warum? Nur um sie dann auf den Boden fallen und an dieser Stelle sterben zu lassen?
    Nein, das ergab keinen Sinn. Peter von Borgo dachte an Fjodora, die draußen unter dem Apfelbaum gelegen hatte. Ja, auch Anelia hätte draußen im Garten gefunden werden sollen.
    Er musste den Mörder dabei gestört haben.
    Noch einmal beugte er sich zu der Toten herab und legte seine Handfläche auf ihre Wange. Sie begann bereits zu erkalten. Dies war keine junge Frau mehr. Dies war nur noch ein Leichnam.
    Er richtete sich wieder auf und wandte sich zum Gehen. Hier gab es für ihn nichts mehr zu tun.
    »Sabine?«
    Die Kommissarin schreckte aus ihren Gedanken und wandte sich dem Mann zu, der vor den Stufen zum Präsidium auf sie gewartet hatte.
    »Guten Morgen, Felix. Was tun Sie hier zu so früher Stunde? Um diese Zeit müssten Sie doch noch im Bett liegen und ein wenig Schlaf

Weitere Kostenlose Bücher