Engel der Verdammten (German Edition)
Pistole aus der Tasche und hielt sie hoch.
»Ich bin bewaffnet!«, rief er, dann rannte er los. Er hetzte durch den nächtlichen Park, bis der Schein der Straßenlaternen am anderen Ende ihn wieder erfasste. Keuchend blieb er stehen und sah sich um. Nichts regte sich, und auch das Gefühl von Kälte war verflogen. Er öffnete den Reißverschluss seiner Lederjacke und schob die Pistole zurück in seine Tasche. Fast ein wenig beschämt setzte er seinen Weg fort. Wie albern von ihm, so einfach davonzulaufen. Zum Glück hatte ihn niemand beobachtet. Er würde sich zum Gespött der Szene machen, wenn sich so etwas herumsprach.
Tariq reckte den Hals und pumpte die Brust ein wenig auf. Breitbeinig schlenderte er die Straße entlang. Provokativ langsam. Sollte es jemand nur wagen, ihn anzugreifen. Er war schon mit ganz anderen Dingen fertiggeworden!
Doch niemand griff ihn an. Den Schatten, der ihm nun in größerem Abstand folgte, bemerkte er nicht. Beinahe sorglos schritt er vor ihm her und führte ihn bis zu seinem Versteck, das er seit Jahren sorgsam hütete.
Peter von Borgo folgte der frischen Spur. Bald ahnte er, wohin sie ihn führen würde. Er selbst war hier vor einigen Nächten schon einmal gewesen. Vor dem Haus hielt er inne. Er umrundete es einmal und witterte in die Nacht. Nein, es war keiner mehr da. Vielleicht würde es nicht schaden, sich drinnen einmal umzusehen.
Als Nebel floss er unter dem Türspalt hindurch und glitt den Flur entlang bis zu der unauffälligen Wohnungstür. Drinnen nahm er seine menschliche Gestalt wieder an. Aufmerksam sah er sich um. Im Gegensatz zu dem ersten Versteck, das er aufgespürt hatte, das nur als eine Art Büro diente, schienen diese Zimmer wirklich bewohnt zu werden. Er strich seiner Fährte folgend durch ein Schlafzimmer, eine unaufgeräumte Küche in ein Wohn- und Esszimmer. Er warf einen Blick in das schmutzige, kleine Bad, dann betrat er das letzte Zimmer, in dem sich ein Schreibtisch mit einem Computer und einige Aktenschränke befanden. Hier war der Geruch so intensiv, dass es ihn schauderte. Offensichtlich hatte er sein Ziel erreicht. Er strich mit der Nase an den Ordnern entlang und zog die aus dem Regal, an denen die Fährte haften geblieben war. Das war alles sehr aufschlussreich, doch es brachte ihn nicht wirklich weiter. Ein wenig entmutigt schob er den letzten Ordner zurück, als sein Blick auf ein niedriges Eckschränkchen fiel. Die Tür stand offen und durch den Spalt konnte er einen Tresor erkennen. Das war interessant. Er ging in die Knie. Seine Nasenflügel bebten vor Erregung, als er sich vorbeugte. Ja, es war noch keine Stunde her, dass er von unbefugter Hand geöffnet worden war.
Das Schloss würde dem Vampir keine Schwierigkeiten bereiten. Viel mehr beschäftigte ihn die Frage, ob das, was der Eindringling vor ihm gesucht hatte, noch da war oder ob er es mitgenommen hatte. Nun, das würde er gleich wissen.
Peter von Borgo legte sein Ohr an die Tür und drehte das Rad langsam, bis er das feine Knacken hörte. Nur wenige Augenblicke später hatte er die richtige Kombination gefunden. Die schwere Tür sprang auf.
Wieder half ihm seine Nase, das zu finden, was am längsten in Händen gehalten worden war. Es war ein einfaches Blatt Papier mit einer Liste von Namen und Adressen. Er roch noch einmal daran, es roch nach …
Der Vampir sah sich im Zimmer um, bis er den Kopierer neben der Tür entdeckte. Das Blatt war kopiert und dann wieder in den Tresor zurückgelegt worden. Keine schlechte Idee.
Peter von Borgo wandte sich wieder seinem Fundstück zu. Er strich mit dem Finger die einzelnen Zeilen entlang. Er verharrte kurz an den Stellen, wo Namen durchgestrichen worden waren, und fühlte so etwas wie Traurigkeit in sich aufsteigen. Verwundert spürte er dem seltsamen Gefühl nach. Was sollte das bedeuten? Er hatte die Frauen nicht oder nur flüchtig gekannt. Sie bedeuteten ihm nichts. Und doch berührte ihn der kräftige Kulistrich, der ihre Existenz noch einmal auszulöschen schien.
Yulia und Fjodora.
Er las die beiden Adressen und die Namen der Bewohner, die er inzwischen fast zu gut kannte. Sein Blick glitt die Liste weiter hinunter. Für einen Moment verharrte sein Finger über dem Namen Duyen. Der Name Lan dahinter war ebenfalls ausgestrichen. Er dachte an sein Gespräch mit der Frau, die noch immer im Haus der Familie Wolf ihre Sklavendienste verrichtete.
Sein Finger glitt noch ein wenig tiefer und verharrte dort. Noch ein Name war
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