Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
getötet?‹
    ›Gregory, wer ist das neben Ihnen?‹
    ›Gregory, wer ist Ihr Freund?‹
    ›Mein Herr, sind Sie Mitglied des Tempels ?‹
    Sie sprachen mit mir!
    ›Sagen Sie uns, wer Sie sind, mein Herr!‹
    ›Sagen Sie uns, was Sie da tragen.‹
    ›Gregory, sagen Sie uns, was Ihre Kirche tun wird.‹
    Er wandte sich den Kameras zu.
    Ein entsprechend ausgebildeter Trupp dunkel gekleideter Männer stürmte vor und umringte uns, um die Frager von uns abzudrängen, und mit schier übermenschlicher Kraft schoben sie uns langsam den beleuchteten Weg entlang, vorbei an der Masse der Presseleute.
    Gregory ergriff das Wort: ›Esther war das Lamm! Unsere Feinde haben das Lamm geschlachtet! Esther war das Lamm!‹
    Die Menge zeigte wilde Zustimmung und applaudierte.
    Ich stand neben ihm und starrte direkt in die Kameras, in die Strahlen der Scheinwerfer und in die vielen Kleinbildkameras, die, auf uns gerichtet, ein Foto nach dem anderen schossen.
    Gregory holte tief Luft und setzte zum Sprechen an, hatte die Situation voll im Griff, wie ein Regent, der vor seinem Thron stand. Laut und akzentuiert sagte er:
    ›Der Mord an Esther war eine erste Warnung. Sie lassen uns wissen, dass die Zeit gekommen ist; jeden rechtschaffen den-kenden Menschen werden sie vernichten!‹
    Wieder kreischte und jubelte die Menge, Schwüre wurden ausgestoßen und Gesänge angestimmt.
    ›Gebt ihnen keinen Anlass!‹, verkündete Gregory ›Keinen Anlass, unsere Kirchen und unsere Häuser heimzusuchen. Sie kommen in mancherlei Maske!‹
    Die Menge wogte uns, einer gefährlichen Welle gleich, entgegen.

    Gregory legte liebevoll den Arm um mich.
    Ich hob den Blick. Das Gebäude durchbohrte den Himmel über uns.
    ›Asrael, wir wollen hineingehen‹, sagte er leise in mein Ohr.
    Lautes Klirren von splitterndem Glas tönte herüber. Eine Alarmglocke schrillte. Die Menschenmenge hatte eines der unteren Fenster des Hochhauses eingedrückt. Sofort eilten die Dienst habenden Männer herbei. Trillerpfeifen gellten, und uniformierte berittene Polizei näherte sich. Wir wurden durch die Türen über glänzenden Marmorboden in das Gebäude eskortiert. Hinter uns hielten einige die Massen zurück, der Rest umringte uns noch immer, sodass es fast unmöglich war, eine andere Richtung einzuschlagen als die, in die sie uns schoben.
    Ich war ganz schön aufgekratzt, wie lebendig in dieser ganzen Sache zu stecken. Verwundert und angeregt. Irgendetwas sagte mir, dass meine früheren Gebieter Männer gewesen waren, die ihre Macht und Fähigkeiten verstohlen, weise für sich behalten hatten.
    Und hier standen wir in der heimlichen Hauptstadt der Welt: Gregory sprühte und glänzte im Bewusstsein seiner Macht, und ich ging neben ihm, trunken von dem Bewusstsein, irgendwie lebendig zu sein, trunken von all den Augen, die auf uns ruhten.
    Schließlich standen wir vor einer mit Engelsgestalten geschmückten zweiflügeligen Bronzetür, und als sie sich vor uns öffnete, drängte man uns in eine mit Spiegeln ausgekleidete Kammer, und Gregory machte eine Bewegung, die besagte, die anderen sollten draußen bleiben.
    Die Türen glitten zu. Da war ein Aufzug, der sich nun in Bewegung setzte. Ich sah mich selbst in den Spiegeln, der Anblick meines langen, dichten Haares und die scheinbare Wildheit meines Gesichtsausdrucks versetzten mir einen Schlag. Und dann sah ich Gregory, kühl und befehlsgewohnt, wie er mich und sich selbst beobachtete. Ich schien um Jahre jünger als er und ebenso menschlich - wir hätten Brüder sein können, beide dunkelhäutig, mit sonnengebräunter Haut.
    Seine Züge waren zarter, die Augenbrauen schmal und glatt gebürstet; an mir fielen die starken Stirn- und Kieferknochen auf, dennoch schienen wir demselben Stamm zugehörig zu sein.
    Während der Aufzug höher und höher stieg, dämmerte mir, dass wir beide, die wir uns gegenseitig begutachteten, nun ganz allein waren in dieser das Licht widerspiegelnden Kabine.
    Aber ich hatte mich noch nicht ganz von diesem Schock, der nur einer von vielen war, erholt, ich hatte mich noch nicht ganz an das leichte Schwanken des Aufzugs gewöhnt, als sich die Türen auch schon wieder öffneten und den Blick auf ein ge-räumiges, prachtvolles Refugium freigaben, das offensichtlich privat war: ein marmorverkleideter Vorraum mit bogenförmiger Decke, von dem rechts und links Durchgänge abzweigten, und direkt vor uns ein breiter Korridor, in dem sich weiter hinten ein Raum öffnete, dessen weit geöffnete Fenster

Weitere Kostenlose Bücher