Engel der Verdammten
Flasche aus einem weichen Material bestand, keines-falls aus Glas; es war Plastik. Man konnte die Flasche flach-drücken, wenn sie leer war. Das Material war so leicht und dünn, es erinnerte mich an eine Tierblase, die dünnste, die man sich vorstellen konnte, wie man sie in früheren Zeiten wohl, gefüllt mit Milch, am Sattel hängend mit sich führte.
Die Frau füllte zwei der Kristallbecher mit Wasser. Ritchie kam herein, beugte sich herab und flüsterte Rachel etwas ins Ohr.
Es ging um Gregory und wie wütend er war.
›Wir liegen im Zeitplan‹, sagte er dann. Er deutete auf die Magazine: ›Da ist etwas ...‹
›Kümmere dich nicht darum. Ich habe das alles gelesen, was interessiert es schon? Irgendwie ist es mir ein Trost, dass ihr Foto auf allen Titelseiten ist. Warum nicht?‹
Er wollte protestieren, aber sie schickte ihn energisch fort. Jemand rief ihm zu, dass er sich anschnallen müsse, denn das Flugzeug werde gleich abheben. Dann war die Maschine in der Luft.
Ich trank von dem Wasser, gierig, wie du mich hast trinken sehen. Das amüsierte Rachel. ›Trink ruhig‹, sagte sie. ›Es ist genug da.‹
Ich nahm sie beim Wort und leerte die Flasche bis auf den letzten Tropfen. Obwohl mein Körper das Wasser vollständig absorbierte, war ich immer noch durstig, was ein deutliches Zeichen für meine immer noch zunehmende Stärke war.
Nun, und was machte Gregory jetzt? Brütete über den Gebeinen und schnaubte vor Wut? War uninteressant. Oder doch nicht?
Mir wurde mit einem Mal klar, dass sämtliche raffinierten Ma-növer, die ich ausgeführt hatte, immer unter der Aufsicht und dem Befehl eines Magiers stattgefunden hatten. Selbst wenn ich eine Frau genommen hatte, geschah das nur mit dem grollenden Einverständnis meines Meisters. Ich durfte aus den Gebeinen auferstehen, durfte töten, dann durfte ich mich wieder auflösen und verschwinden. Ja. Das ist nicht so heikel, aber die unmittelbare, aufflammende Leidenschaft, die ich für diese Frau fühlte - die Kraft, die mir aus dem Wasser, das ich getrunken hatte, erwuchs -, das war etwas völlig Neues für mich.
Ich begriff, dass ich herausfinden musste, welche Fähigkeiten ich entfalten konnte, wenn ich wirklich ganz auf mich allein gestellt war, bisher jedenfalls hatte ich noch keinen ernsthaf-ten Versuch in dieser Richtung unternommen. Ich fühlte mich in Gegenwart dieser Frau, die in mir eine so große fleischliche Begierde weckte, ebenso stark wie vorher, als ich mich Gregorys faszinierendem Charakter gegenübersah.
Als ich die Flasche abstellte, merkte ich, dass die Zeitungen und Magazine einige Tropfen Wasser abbekommen hatten.
Ich schaute genauer hin, und da erst sah ich, was die anderen so betroffen gemacht hatte. Die Fotos darauf zeigten Esther in dem schlimmsten aller Augenblicke. Aufgenommen, Sekunden, bevor sie starb! Ja, das Titelbild zeigte sie auf der Trage und dazu die dicht um sie gescharte Menge.
Jemand sagte, wir hätten Kurs auf Miami genommen und würden ohne Verzögerung landen können, sobald wir es erreichten.
›Miami.‹ Der Klang brachte mich zum Lachen, es hörte sich an wie ein lustiges Wortgeklingel für Kinder. ›Miami.‹
Die Maschine holperte durch die Nacht. Die blassäugige Kleine brachte eine weitere Flasche Wasser. Es war so kalt, dass das Eis nicht nötig war, ich trank es in langen, gleichmäßigen Zügen aus. Dann lehnte ich mich zurück und fühlte, wie das Wasser mich ausfüllte. Zu fühlen, wie das Wasser durch meine Kehle, durch die inneren, aus eigener Kraft geschaffenen Röhren meines Körpers rann, ach, das war ein göttliches Ge-fühl, fast vergleichbar mit dem, Rachel zu küssen. Ich holte tief Luft.
Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass Rachel mich beobachtete. Das Mädchen war fort. Sie hatte die Gläser mitgenommen. Nur ein Rest Wasser war noch in der Flasche, die ich umklammert hielt.
Ich fühlte mich von einer starken, fast schmeichelnden Kraft, die ich als geheimnisvoll empfand, in das Leder des Sessels gepresst. Das Flugzeug stieg nun sehr schnell und sehr steil dem Firmament entgegen. Der Druck nahm zu und plötzlich spürte ich Kopfschmerzen, aber ich verscheuchte sie sofort.
Ich sah Rachel an. Sie saß ganz still und gefasst, als bete sie, als sei dies eine Art Zeremonie, und sie sprach und regte sich nicht, bis die Maschine die richtige Höhe erreicht hatte und den Steigflug beendete. Da änderte sich der Klang der Motoren, und Rachel entspannte sich. Ich fand diese gesamte
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