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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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besondere Aufgaben vorbehalten hatte.
    Mir schien es als ein fantastischer Glücksfall, dass er die Gebeine ausgerechnet diesem Haufen Dummköpfe anvertraut hatte, anstatt sie in die Hände von Magiern zu geben. Aber wo würde er schon Magier finden?
    Wie anders diese Szene sich doch dargeboten hätte, wenn die Gebeine bei den Chassidim - bei einem Zaddik, der Gregory weder hasste noch fürchtete - gelandet wären! Oder bei Buddhisten oder Zoroastikern, selbst ein Hindu-Arzt mit westlicher Erziehung hätte mir schon gefährlich werden können.
    Ich stellte mich aufrecht hin, immer noch unsichtbar, und schob mich an Gregory heran, bis ich seine Schulter berührte.
    Ich roch die parfümierte Haut, die so glatt und seidig war. Seine Stimme klang metallisch und verärgert, sie verschleierte jede ängstliche Regung, als sei Angst eine Dunstwolke, die er schlucken und in kleinen kontrollierten Atemstößen zusammen mit seinen Worten wieder von sich geben könne.
    Die Gebeine. Ihr Anblick weckte keinerlei Gefühle in mir. Spiele ein bisschen den Störenfried, schnappe dir den Schal, und kehre wieder zu Rachel zurück. Offensichtlich hatte das Han-tieren mit den Gebeinen keinerlei Einfluss auf mich, und schon gar nicht die prüfenden Augen der Ärzte.
    Bin ich endlich fertig mit euch? Ich sprach zu den Gebeinen, aber sie antworteten mir nicht.
    Sie lagen nicht in ihrer gewohnten Anordnung da. Sie waren nur ein auf gut Glück zusammengeraffter wirrer Haufen. Das Gold glänzte hell unter den grellen Lichtern. Kleine schmudde-lige Fetzen Stoff hingen an ihnen, und Ascheflöckchen klebten an ihnen, doch ansonsten sahen sie massiv und unzerstörbar aus wie immer. Für alle Zeiten.
    War meine Seele, mein tzelem, in ihnen eingeschlossen?
    Brauche ich euch noch? Und du, Gebieter, kannst du mir Schmerz zufügen?
    Gregory spürte meine Gegenwart! Er wandte sich hierhin und dorthin, konnte mich aber nicht sehen. Die anderen - sechs waren es - bemerkten seine Unruhe und wollten wissen, was los sei. Einer von ihnen berührte die Truhe. ›Lassen Sie das!‹, sagte Gregory. Er war so herrlich verschreckt. Das fand ich einfach großartig!
    Es steckt immer auch eine Portion Hochmut darin, Sterbliche zu quälen, aber es war auch wirklich zu einfach, ich hatte Mü-
    he, mich zurückzuhalten.
    Ihn zu testen und mich zu testen, das war es, weswegen ich gekommen war - ich sollte diese Spielchen lassen!
    ›Wir werden extrem vorsichtig damit umgehen, Gregory‹, sagte jetzt einer der jüngeren Wissenschaftler, ›aber wir müssen ein paar größere Splitter haben; das haben wir doch schon erklärt. Um die Radiocarbonmethode anzuwenden, um DNA zu gewinnen, müssen wir vielleicht ...‹
    ›Und Sie wollen doch einen ganzen DNA-Strang, nicht wahr?‹, fragte ein anderer, eifrig auf die Aufmerksamkeit und die Gunst seines Führers bedacht. ›Sie wollen doch alles wissen, was wir aus diesem Skelett ablesen können - Geschlecht, Alter, Todesursache, alles, was sich irgendwie entdecken lässt...‹
    ›Sie werden sich wundern, was wir alles feststellen können.‹
    ›Dieses Projekt mit der Mumie in Manchester, haben Sie davon gehört?‹
    Gregory nickte nur zustimmend, schwieg verbissen, weil er wusste, dass ich da war. Ich war immer noch unsichtbar, hatte mich jedoch schon mit meinem Körper und meiner Kleidung umgeben, doch erlaubte mir diese Form immer noch, durch Gregorys Körper hindurchzugleiten, wenn ich wollte; das hätte ihm Übelkeit und Schmerzen verursacht, und er wäre wahrscheinlich niedergestürzt. Stattdessen berührte ich seine Wange, legte meine Finger auf seine Haut, und er erstarrte.
    Ich schob meine Hand in sein Haar. Er sog heftig den Atem ein.
    Das wissenschaftliche Gerede plätscherte indessen dahin ...
    ›Größe des Schädels, männlich, und die Hüftknochen, vielleicht sehen Sie ...‹
    ›Behandeln Sie sie vorsichtig!‹ Gregory explodierte plötzlich.
    Die Wissenschaftler verstummten. ›Ich meine, behandeln Sie sie wie eine Reliquie, ist das klar?‹
    ›Ja, Mr. Belkin, wir verstehen, Mr. Belkin.‹
    ›Hören Sie, die Leute, die mit diesen Sachen in Ägypten arbeiten und ...‹
    ›Ich will nichts über das Wie wissen. Sagen Sie mir einfach, was es damit auf sich hat. Und halten Sie es geheim. Wir haben nicht mehr viel Zeit, nur noch wenige Tage, meine Herren.‹
    Was konnte das bedeuten?
    ›Ich möchte wegen dieser Sache hier keine Verzögerungen, also beeilen Sie sich, gehen Sie an die Arbeit!‹
    ›Es läuft alles

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