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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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haben?‹
    In dem Moment wurde mir einiges klar. Ich schaute meinen Gott an, der kalt auf diese Anhäufung von Verfall blickte.
    ›Sind dies deine Knochen, mein Herr?‹, fragte ich Marduk.
    ›Nein‹, sagte er, ›und ich kann mich nur schwach daran erinnern, wann sie dort hineinkamen. Der Geist jenes Jünglings war schwach, und ich bezwang ihn und setzte meine Regierung fort. Vielleicht ermunterte mich der Gedanke, dass man mich durch jemanden ersetzen wollte? Ich weiß es nicht, Asrael! Bedenke, ich habe sonst keine weisen Worte für dich. Ich weiß es nicht. Nun haben sie vor, dich an meine Stelle zu setzen, das wenigstens wissen wir beide.‹
    ›Was ist dein Wille, Herr?‹, fragte ich Marduk.
    ›Dass dir kein Leid geschehe, Asrael‹, sagte er. ›Aber willst du werden, was ich bin? Möchtest du, dass deine Gebeine dreihundert lange Jahre in so etwas eingeschlossen bleiben? Bis die Hülle zerfallen ist und ein weiterer junger Mann zu diesem Opfer verleitet werden muss? Aber lasst mich zur Hauptsache kommen.‹
    ›Ich vergesse immer, wie großherzig du bist, Asrael. Du fragst um meinetwillen. Ich kann dir nur sagen, dass ich komme und gehe, wie es mir beliebt. Das letzte Mal, als sie mich zu ersetzen versuchten, genügte ein Wink meiner Hand, und das Wesen war gebannt und musste zurückweichen in den Nebel. Auf diese Art gemordet zu werden bedeutet für einen Sterblichen nicht unbedingt, zu einem Gott oder einem mächtigen Geist zu werden.‹ Er zuckte die Achseln. ›Denk an dich, und nur an dich. Was ich bin, das ist ... was du kennst.‹ Die Trauer auf seinem Gesicht erschreckte mich, als er hauchte: ›Ich will nicht, dass du stirbst.‹
    Dem Hohepriester reichte diese Unterhaltung langsam. Er konnte Marduk weder sehen noch hören und kochte vor Wut.
    Asenath jedoch verstand alles und schaute zwischen dem Gott und mir neugierig hin und her, und der verschlagene Remath wollte sich zwar nicht verraten, doch er wusste, dass da etwas auf dem leeren Stuhl saß. Er wusste es. Er verstand auch teilweise, was das Etwas sagte.
    ›Ihr redet von einem Standbild aus Gold‹, sagte mein Vater laut. ›Ihr braucht meinen Sohn, um ein goldenes Standbild zu machen?‹, fragte er.
    ›Die Gebeine dann sind die des Gottes!‹, erklärte der Hohepriester. ›Nur deshalb ist unsere Stadt in diesem Zustand, nur deshalb brauchen wir den persischen Befreier. Der Gott ist alt, die Gebeine zerfallen, und das Standbild kann nicht mehr aufrecht stehen. Ein neuer Gott muss her.‹
    ›Aber was ist mit dem Standbild im Allerheiligsten?‹, fragte mein Vater, was eine ziemlich kindische Frage war.
    ›Das kann man nicht durch die Straßen tragen‹, antwortete der Priester. ›Es ist nur ein großer, unförmiger Klumpen ...‹
    ›... Metall!‹, ergänzte der Prophet Enoch und lächelte grausam.
    ›Ihr vergeudet nur Zeit‹, sagte Kyros. ›Die Zeremonie muss auf die alte Art durchgeführt werden‹, fuhr er fort, indem er mich ansah. ›Erklärt es ihm, ihr Priester, steht nicht bloß herum. Erklärt es. Und du, mein tapferer Asrael, was sagt Marduk dir?‹
    Die alte, weißhaarige Asenath ergriff jedoch daraufhin das Wort, wobei sie ihren Schlangenstab auf den Boden stieß, um kundzutun, dass besser alle schweigen und ihr zuhören sollten. ›Der Gott sagt, dass er kommt und geht, wie es ihm beliebt, dass die Knochen in dem Standbild ihn nicht interessieren, da es nicht die seinen sind. So sagt er!‹ Dann fasste sie Marduk ins Auge. ›Nun, sind das nicht genau deine Worte, du armseliger kleiner Gott, der du zitterst vor dem Angesicht Jahwes!‹
    Das irritierte die Priester ganz gewaltig. Mussten sie nun die Ehre Marduks verteidigen, da sie doch andererseits gar nicht zugaben, dass er gegenwärtig war?
    ›Mein junger Freund‹, wandte sich Kyros an mich, ›sei du der Gott. Schreite mit mir im Prozessionszug. Du wirst aufs Feinste mit Gold eingehüllt werden, obwohl, die ursprüngliche Formel scheint ja ... wie soll ich sagen? Zu fehlen?‹ Er warf dem Hohepriester einen viel sagenden Blick zu. ›Du wirst leben unter dieser Schicht. Du musst leben und zwar lange genug, um mich bei der Hand zu nehmen und mit der anderen Hand deine Untertanen zu grüßen. Und du musst die drei Ta-ge überleben, die notwendig sind, die Mächte des Chaos ab-zuwehren, denn du musst mit mir hierher zurückkehren, an den Hof von Esagila, um mich hier zum König auszurufen. Wir werden den Ablauf beschleunigen, wenn jemand eine Idee hat, wie man das

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