Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Geschäft.«
    »Danke, Sir. Ich habe keinen Blinddarm mehr.«
    »Ich immunisiere Sie gegen das Gelbfieber.«
    »Dagegen sind wir Dschungelflieger alle immun.«
    »Kein Geschäft zu machen?«
    »Keins, Sir.«
    Der Birmese hob die Schultern. Er klemmte eine Gebietskarte unter die Achsel und ließ Dr. Haller stehen. Der sah ihm nach. Er hatte kein Geld, den Piloten zu bestechen, und wer nimmt als Bezahlung schon das Angebot an, sich aufschneiden zu lassen?! Die ganze Trostlosigkeit seines Lebens überfiel ihn wieder; er griff in die Tasche, zog die Ginflasche heraus, schraubte den Verschluß los und setzte sie an den Mund. Der erste tiefe Schluck war köstlich. Der Alkohol brannte durch die ausgetrocknete Kehle. Dr. Haller hielt den Atem an, genoß dieses Gefühl und war glücklich wie ein Kind, das mit Holzklötzchen einen Turm gebaut hat. Dann nahm er einen zweiten langen Schluck, drehte den Verschluß auf die Flasche und steckte sie zurück in die Rocktasche.
    »Na, dann los!« sagte er laut und packte seine beiden Koffer, warf sie durch die offene Kanzeltür wieder ins Flugzeug und stellte sich in den Schatten der Bordwand. Er war bereit, sofort ins Innere der Maschine zu klettern, wenn der Pilot von den Baracken zurückkam.
    Es wird nicht lange dauern, dann wird etwas geschehen, dachte er. Die Maschine muß aufgetankt werden. Es gibt hier also so etwas wie einen Tankwagen oder auch nur einen rollenden Untersatz für Benzinfässer und eine Handpumpe. Vielleicht kann man sie zwingen, wenn man droht, in das Benzin zu schießen? Viel kommt dabei nicht heraus, ein paar Löcher, aber sie werden fürchten, daß das Benzin explodieren kann. Es ist eine winzige Chance.
    Dr. Haller griff in die Gesäßtasche, holte einen Revolver heraus, steckte ihn vorn in den Hosenbund und überlegte, wie man es anstellt, einen Piloten, der außerhalb des Flugzeuges steht, zu zwingen, einzusteigen und wegzufliegen.
    In der Luft, während des Fluges, ist das eine Kleinigkeit. Da kann man den Revolverlauf in seinen Nacken drücken und sagen: »Hör einmal zu, Boy, in aller Freundschaft, mir gefällt die Flugrichtung nicht. In dieser Gegend werde ich asthmatisch. Kehr um, zieh eine schöne Kurve und überlege nicht lange. Du bist noch ein junger Kerl, du hast dein verdammtes Leben noch lieb – bei mir ist das anders. Ich lebe eigentlich nur noch, weil mein Kreislauf mir keine Ruhe läßt und das Herz immer weiterschlägt. Ein medizinisches Rätsel, mein Bester. Ich erkläre dir das, wenn wir gelandet sind, und du wirst staunen, wen du da transportiert hast. Nach medizinischer Logik müßte meine Leber wie ein Schwamm sein, das Hirn paralysiert, das Herz eine Alkoholpumpe – aber ich lebe! Ich denke sogar. Ich bin zu Handlungen fähig! Du weißt ja gar nicht, mein Junge, wer ich bin. Dr. Reinmar Haller. Arzt aus Deutschland. Was sagt das schon?«
    Er wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht, kletterte auf den Pilotensitz und musterte die breite Instrumententafel. Er rückte sich auf dem Sitz zurecht, legte die Hände um den Steuerknüppel, stemmte die Füße in die Seitensteuerungspedale und entdeckte dabei, daß der Schlüssel noch im Zündschalter steckte.
    Dr. Haller beugte sich vor, starrte durch die schmutzige, verschmierte Kanzelscheibe und legte die linke Hand auf den Zündschlüssel. Vor ihm lag die wellige Graspiste, dahinter der Dschungel, grün, dicht, feindlich, eine geschlossene, drohende, reglose Wand, über der die Luft flimmerte.
    »Wir brauchen einen Arzt auf der Erde, keinen in den Baumwipfeln!« sagte eine jugendliche Stimme in einem makellosen Englisch. Dr. Haller fuhr herum. Im Kanzeleinstieg stand ein junger braunhäutiger Mann im Khakianzug. Er war groß und überschlank und sah aus, als habe er sich gerade aus dem Bett gerollt, das Sumpffieber noch im Blut. »Entschuldigen Sie, daß ich zu spät komme. Aber die Fahrt von Nongkai nach Homalin ist voller Überraschungen. Ich bin eine Stunde lang von zwei Tigern begleitet worden. Ein prächtiges Pärchen. Nur darf man ausgerechnet dann keine Panne haben. Ich hatte Glück.« Der junge Inder beugte sich in die Kanzel. »Sie sind doch Dr. Haller?«
    »Kennen Sie sonst noch einen Idioten, der freiwillig hierherkommt?«
    »Ja. Einen Dr. Adripur. Sabu Adripur. Das bin ich.«
    Dr. Haller erinnerte sich. In Rangun hatte man ihm die Liste der Hospitalärzte von Nongkai gezeigt, um ihm die Dringlichkeit seiner Zusage zu beweisen. Neben einem Chefarzt mit einem Namen, den

Weitere Kostenlose Bücher