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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tod.
    »Können Sie noch, Adripur?« fragte er. Der junge Inder, bleicher als sonst, stand am anderen Waschbecken und hielt seine Hände in die Zephirollösung. »Noch zwei. Ich kann's allein. Ruhen Sie sich aus, Sabu.«
    »Solange Sie am Tisch stehen, stehe ich auch!« Adripur straffte sich. »Es macht mir Spaß.«
    »Es wird Sie umbringen, mein Junge.«
    »Was bringt uns hier nicht um?« Siri hatte aus dem Schrank die Flasche mit dem Reisschnaps geholt und kam auf ihn zu. »Was machen Sie nach Operationsschluß, Doktor?«
    »Visite. Und dann Besuche der Ambulanten.«
    »Sie sind verrückt. Wollen Sie nach einer Woche zusammenklappen? Das Tempo halten Sie nie durch.«
    »Ich habe, als ich heute morgen anfing, auch nicht gedacht, daß ich über meinen dritten Eingriff hinauskäme. Jetzt sind's zehn Stunden. Und ich stehe auf beiden Beinen, wenn auch etwas mühsam.« Haller lächelte breit. »So ist das, Adripur. Daran müssen Sie sich bei mir gewöhnen. Ich gebe immer alles erst hinterher zu. Ich spiele immer va banque. Sie wissen gar nicht, wieviel Angst manchmal in mir ist.«
    »Ich ahne es, Dr. Haller.« Adripur trocknete die Hände an einem sterilen Tuch ab. »Sie reden im Schlaf.«
    »Morgen ziehen Sie bei mir aus!«
    »Sie sollten mit mir und nicht mit Ihrem Unterbewußtsein reden, Doktor. Ich kann schweigen, und ich sauge alles auf wie ein Schwamm und vergesse es dann. Aber Ihnen ist leichter.«
    »Sie sind ein Mordskerl, Adripur!« Haller lehnte sich an die Wand. Und so ein Mensch hat eine Lunge wie ein Sieb, während ein Saukerl wie Taikky gesund wie ein Stier ist! Aber warte, mein Junge. Auch dich hole ich von der Schippe zurück. Die Medikamente müssen in den nächsten Tagen aus Rangun kommen. »Hier«, sagte Siri. Sie hob ein Glas, randvoll mit Schnaps, Haller unter die Nase. Es war ein Duft, der ihn sofort aus seiner plötzlichen Schläfrigkeit wegtrieb. Er griff nach dem Glas, aber dann ließ er die Hand sinken.
    »Nein!« sagte er laut. »Nie mehr! Verdammt, schüttet das Zeug weg!«
    »Sie übertreiben, Doktor.« Adripur gab der weinenden Frau eine Kreislaufinjektion. Es war die vorletzte Ampulle, dann war der Vorrat erschöpft. Der Sturm auf Taikkys heimliches Vorratslager wurde unvermeidbar, wenn Haller in diesem Stil weiter behandelte.
    »Sie wissen besser als ich, Dr. Haller, daß eine gewaltsame Entziehung immer mit einem Zusammenbruch endet.«
    »Ich habe keine Zeit, mich nach den Regeln der Schulmedizin vom Alkohol wegzuschleichen.«
    »In zwei Tagen kippen Sie um, was dann? Wer soll dann die Kranken behandeln, Doktor? Darauf wartet Karipuri doch bloß, daß Sie auf dem Rücken liegen.«
    »Sie haben recht, Sabu.« Haller nahm das Glas, zog Siri an sich, küßte sie auf die Stirn und trank das Glas in einem Zug leer. Er spürte, wie Siri sich in seinem Arm steif machte, um sich dann mit beiden Händen von seiner Brust abzustützen.
    »Siri«, sage Haller leise. »Du dämliche kleine Katze. Mich interessiert das Mädchen aus Deutschland nicht die Bohne! Nur etwas Neugier ist dabei. Ich war fünf Jahre nicht in Deutschland. Das ist alles …«
    »Sie wird dich mir wegnehmen«, sagte sie leise. Ihre sonst so helle Stimme war dunkel. »Ich weiß es, Chandra. Ich hasse sie!«
    »Himmel noch mal, du kennst sie doch noch gar nicht.«
    »Ich hasse sie, Chandra! Ich hasse sie!«
    Haller merkte erst, daß etwas nicht stimmte, als er von Siri kein Instrument mehr gereicht bekam und auch Dr. Adripurs Kopf nicht mehr neben ihm war. Er blieb in gebeugter Haltung über dem Armstumpf der Frau stehen und schielte zur Seite. Siri stand wie erstarrt.
    »Wenn es Taikky ist«, sagte Haller langsam, »dann gehen Sie hin, Adripur, und jagen Sie ihn weg. Sonst werfe ich ihm den vollen Eimer mit Amputationsabfall an den Kopf.«
    »Es ist nicht Taikky«, sagte Siri.
    »Auch Karipuri fliegt raus!«
    »Es ist nicht Karipuri«, sagte Adripur.
    Dr. Haller drehte sich langsam um. Bettina Berndorf war gekommen.
    Sie sahen sich an, sein Blick flog schnell über sie hin, vom Kopf bis zu den Füßen.
    Für die feuchtheißen Tropen kurzgeschnittene blonde Haare, mit Ansatz von Locken. Ein offenes, ebenmäßiges Gesicht mit blauen Augen, einer geraden, kurzen Nase und einem schönen, etwas zu breiten Mund. Die Figur – soweit sie sich in dem Khakianzug mit langen Hosen und der weiten Jacke mit den vier aufgesetzten Taschen erkennen ließ – war wohl geformt, gesund und kräftig. Die Füße steckten in derben Schuhen mit dicken

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