Engel des Todes
verschwanden am Morgen des folgenden Tages. Und das just zum selben Zeitpunkt, als Sie eine solche Verwundung angeblich bei einem Jagdunfall in Montana erlitten haben.«
Nina tat der Kopf weh, und ihr wurde es eng in der Brust. Sie zuckte nur wortlos die Achseln, sie konnte Monroe jetzt nichts sagen. Weder jetzt noch sonst irgendwann.
»Der Bericht aus dem Krankenhaus erweckt mein besonderes Interesse, denn zwischen Salt Lake City und einer kleinen Stadt namens Dyersburg in Montana – wohin Sie in der Nacht zuvor geflogen sind – befand sich ein Wohnpark mit dem Namen The Halls. Dort gibt es heute nur noch ein großes Loch, und alle, angefangen bei der Polizei von Dyersburg bis zum Geheimdienst NSA , hätten gern eine Erklärung dafür. Vor allem der dortigen Polizei ist daran gelegen, denn sie hat den Tod eines Beamten, eines Immobilienmaklers und zweier nicht identifizierter Personen aufzuklären.«
Nina sagte nichts. Monroe schaute sie an, ebenso der Mann in der Ecke. Schließlich wurde es ihr zu bunt.
Sie drehte sich zu dem Unbekannten und fragte: »Wer sind Sie überhaupt?«
Der Mann starrte zurück, als wäre sie nur die Urlaubsvertretung einer Firma, für die er nicht arbeitete.
Als sie wieder zu Monroe schaute, sah sie dessen kalte Augen. »Sie halten mich wohl für einen Idioten, Nina«, bellte Monroe.
»Nein, Charles, selbstverständlich nicht. Der Fall Sarah Becker ist ja nicht neu. Ich weiß über Sarahs plötzliche Heimkehr genauso wenig wie Sie.« Er schwieg eisern und zwang sie weiterzusprechen. »Ich habe John in Montana besucht, wie ich damals ausgesagt und auch später mehrmals wiederholt habe.«
»Stimmt«, sagte er nun ganz freundlich, und das machte Nina noch unsicherer. Aus dem unvermittelten Wechsel im Tonfall schloss sie, dass es hier um mehr ging, als sie vermutete, und dass sie herausfinden musste, was das sein könnte.
Als Nächstes sprach nicht Monroe, sondern der Mann in der Ecke. Er sprach mit trockener, leicht näselnder Stimme.
»Handelt es sich dabei um John Zandt?«
»Ja.« Nina, die ihren Blick fest auf Monroe gerichtet hielt, schwante, dass ihr Chef gerissener sein könnte, als sie bisher angenommen hatte. Er hatte sie diesem Kerl ausgeliefert, aber ihr Blick schien ihn keineswegs aus der Fassung zu bringen.
»Der Detective, der früher im Morddezernat in L.A. arbeitete und nun in einen Mordfall in Portland verwickelt ist. Seine Tochter wurde vor drei Jahren entführt und nie gefunden. Er selbst quittierte den Dienst bei der Polizei und verschwand spurlos. Vor drei Monaten tauchte er wieder auf als, wenn ich das richtig sehe, Ihr Liebhaber.«
»Dieses Verhältnis besteht nicht mehr. Und im Übrigen, was geht Sie das an?«
Die Pause, die sie vor der letzten Frage einlegte, sollte besonderen Nachdruck verleihen. Doch sie merkte selbst, dass es eher verlegen wirkte. Darauf kam es auch gar nicht mehr an, denn sie hatte ganz leise gesprochen. Keiner der beiden Männer sagte etwas.
Sie schaute Monroe an und rang mit ihrer Stimme. »Ist es das? Ein Schlag auf die Finger für eine Sache, die jetzt drei Jahre her ist? Ich habe John über den Fall des Botenjungen auf dem Laufenden gehalten, was ich nicht hätte tun dürfen. Das wissen Sie längst. Sie wissen, dass ich der Ansicht war, er verdiente es, unser Wissen in dem Fall zu teilen, weil seine Tochter entführt worden war und er uns kurz zuvor geholfen hatte, einen Mann zu überführen, der reihenweise schwarze Jugendliche umbrachte. Wir kamen damals in dem Fall nicht weiter, und die Medien zogen bereits über uns her. Sie haben damals gesagt, dass ich mit meiner Handlungsweise gegen FBI -Regeln verstoßen und Ihre Vorstellungen von Integrität verletzt hätte. Seither haben Sie mich anders als vorher behandelt. Ich habe Mist gebaut, das habe ich verstanden. Aber ich dachte, dass wir damit quitt wären. Schauen wir nach vorn.«
Monroe sah aus dem Fenster.
»Uns geht es hier nicht um Ihre Zukunft, Ms. Baynam«, ließ sich der Mann in der Ecke vernehmen. »Uns geht es darum, die Vergangenheit aufzuklären.«
»Wovon reden Sie eigentlich?«
»Nina …«
»Das reicht jetzt, Charles. Ich habe diese Spielchen satt. Ich weiß immer noch nicht, wer dieser Mensch da ist und warum er meint, so mit mir reden zu können.«
Monroe legte eine Tasche auf den Tisch, in der sich ein tragbarer Computer befand. Er klappte den Computer auf und drehte den Bildschirm zu Nina hin. Weder er noch der Mann in der Ecke rührten sich von
Weitere Kostenlose Bücher