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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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ihren Plätzen, woraus Nina schloss, dass sie schon kannten, was sie gleich zu sehen bekommen würde.
    Der Bildschirm wurde geladen und zeigte in der Mitte ein schwarzes Fenster. Monroe drückte ein paar Tasten, worauf Farbe und Bewegung in das Fenster kam. Es brauchte eine Weile, bis zu erkennen war, dass es sich um eine Videoaufnahme handelte, in deren Vordergrund eine Straße verlief.
    Die Straße war einen Augenblick lang leer, so dass die Rückfront einer Häuserreihe zu sehen war. Das Kamera-Auge ging dann näher heran und konzentrierte sich auf ein zweistöckiges Holzhaus. Es hatte einen sandfarbenen Anstrich mit einer weißen Zierleiste, beides nicht mehr frisch. In der Dreiviertelsicht waren Fenster an der Rückfront und an einer Seite zu erkennen, alle mit zugezogenen Vorhängen. Nach hinten ging auch eine Tür.
    Eine Zeitlang geschah nichts. Autos fuhren vorbei, bald in der einen, bald in der anderen Richtung. Geräusche waren nicht zu hören, wobei nicht klar war, ob das Video keine Tonspur hatte oder ob die Lautstärke heruntergedreht war.
    Die Kamera zoomte erneut. Wieder dauerte es eine Weile, bis klar wurde, was der Kameramann gesehen hatte. Die Hintertür hatte sich einen Spaltbreit geöffnet, drinnen war es dunkel. Die Tür ging wieder zu und blieb eine Weile geschlossen. Dann ging sie gerade so weit auf, dass ein Mann hinausschlüpfen konnte. Er war etwas größer als der Durchschnitt und hatte breite Schultern. Er schloss die Tür hinter sich und streifte an der rückwärtigen Hauswand entlang. Dabei ging er so, dass man sein Gesicht nicht erkennen konnte, ja ein zufälliger Beobachter hätte ihn wahrscheinlich gar nicht bemerkt.
    Nicht so die Kamera. Sie nahm ihn aufs Korn und zoomte noch näher. Nina biss sich auf die Lippe.
    Der Mann war John Zandt.
    Er ging hinaus auf die Straße. Die Kamera folgte ihm bis zu einem Auto, das Nina erkannte, da es vor ein paar Jahren an mehreren Nachmittagen draußen vor ihrem Haus gestanden hatte. Er öffnete die Fahrertür, und in der Sekunde, bevor er einstieg, fing die Kamera über das Autodach hinweg sein Gesicht von vorn ein, blass mit verschatteten Augen. Er erinnerte Nina an Männer, die in Handschellen vorgeführt und fotografiert wurden. Er hatte kaum Ähnlichkeit mit dem Mann, den sie einmal zu lieben glaubte.
    Die Kamera kehrte zu ihrer Ausgangsperspektive, einer Sicht auf die halbe Straße, zurück und hielt abrupt an.
    Mit undurchdringlicher Miene lehnte sich Nina zurück. »Woher stammt das Video?«
    »Es ist uns per E-Mail zugesandt worden«, sagte Monroe, »heute in aller Frühe.«
    »Was für ein seltsamer Zufall«, bemerkte Nina. »Gleich nach dem Leichenfund in Portland.«
    Die beiden Männer schauten sie scharf an.
Ihr könnt mich mal,
dachte sie.
Wenn ihr es so haben wollt, müsst ihr es selber machen.
»Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Dieses Video«, antwortete der Mann in der Ecke, »zeigt Ihren Freund beim Verlassen des Hauses, in dem ein Verdächtiger in besagtem Fall wohnte. Der Mann, Stephen DeLong mit Namen, war verhört und dann wegen eines wasserfesten Alibis aus der Ermittlung genommen worden.«
    »Aus dem weiteren Videomaterial kann geschlossen werden, dass die Szene aus der Zeit des Mordfalls stammt«, fügte Monroe hinzu.
    »Der Eindruck drängt sich auf«, sagte Nina. »Wozu sonst diese Totale am Schluss, aus der auch noch der Dümmste erkennen kann, wo das Video aufgenommen wurde.«
    Monroe zuckte mit den Augen. Der Mann in der Ecke beachtete sie nicht. »Eine Woche später berichteten Nachbarn von einem penetranten Geruch, der aus dem Haus, das wir gerade gesehen haben, kam. DeLong wurde tot in seinem Schlafzimmer aufgefunden. Neben einer tödlichen Schusswunde wies seine Leiche Spuren von Folterung auf. Vieles in seinem Haus deutete auf Drogenhandel, was die Ermittler zu der Schlussfolgerung führte, dass sein Tod die Folge eines Streits über einen Drogendeal war. DeLong wurde abgeschrieben und vergessen. Niemand sah seinen Tod in einem Zusammenhang mit den weiteren Ermittlungen.«
    »Warum hätte man das auch tun sollen?«
    »Damals gab es keinen Anlass dafür«, räumte der Mann in der Ecke ein. »Aber wie Sie selbst gesehen haben, besteht jetzt ein zwingender Grund. Wir brauchen Ihre Mithilfe nur in einem Punkt, Ms. Baynam: Wir möchten mit John Zandt sprechen.«
    Er lehnte sich zurück. »Wo ist er?«
     
    Eine Viertelstunde später verließ Nina das Gebäude. Sie ging aufrecht und mit regelmäßigen Schritten. Sie

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